AfD und Rechtsterrorismus? Wie rechtspopulistische Sprache rechten Terror nährt.

Teil 3 von 3

Spätestens seit 2015 ist die europäische Rechte omnipräsent. Seien es islamophobe Demonstrationen von PEGIDA, die Identitäre Bewegung und eine sich zuspitzende Entwicklung von rassistischer und rechtsextremer Gewalt, bis hin zu rechtsextreme Terrorakten.
Inmitten dessen hat eine, sich „prächtig“ entwickelnde und radikalisierende AfD die von Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, ihren Platz eingenommen.
Unabdingbar für diese Entwicklung ist die von der AfD vorangetriebene Verschärfung rechtspopulistischer Sprache und ihr Wirken im vorpolitischem Raum. Welche Mittel und Strategien dem zugrunde liegen, welche Ziele sie verfolgen und welche gefährlichen Wechselwirkungen dies hervorruft gilt es genau zu betrachten und zu beschreiben.

Vom Wort zur Tat 2

Als weiteres Beispiel, der tödlichen Folgen, des aus dem von der AfD geschaffenem Diskurs, gilt der Mord an dem Kassler CDU Politiker Walter Lübcke.
Durch seinen Unterstützung für die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, wurde er zum Feinbild der rechtsextremen so wie zum Symbol für den von „politischen Eliten“ herbeigeführten „Bevölkerungsaustausch“.
Der Kassler Regierungspräsident wurde am 02.06.2019 aus nächster Nähe, mit einem Schuss in den Kopf getötet, der mutmaßliche Schütze ist Neonazi Stephan Ernst, welcher die Tat anfangs gestand, sein Geständnis jedoch widerrief und inzwischen eine neue Version der Tathergangs angibt, nach dieser soll sein Kamerad Markus Hartmann die Waffe in der Hand gehalten haben, als sich versehentlich ein Schuss löste.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/luebcke-mord-kassel-rechtsextremismus-1.4749559)

Mediale Aufmerksamkeit erreichte Walter Lübcke durch seinen Auftritt bei einem Bürgerdialog in Lohfelden, Anlass war eine geplante Unterkunft für Asylbewerber*innen vor Ort.
Sein Auftritt wurde von Zwischenrufe seitens einiger rechter Anwendenden gestört. Lübcke, der die geplante Unterkunft und Schutzsuchende verteidigte, entgegneten den Rechten
„und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist.“ Ein Zitat welches mitgeschnitten und auf YouTube veröffentlicht wurde, ehe es in rechten Kreisen viral ging und einen rechten Shitstorm gegen Lübcke auslöste.
Bei dieser Veranstaltung waren auch Stephan Ernst und Markus Hartmann anwesend, vermutlich stammt das Video von ihnen.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-von-rechts-die-stille-vor-dem-schuss-1.4697179)

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen bereits aufgefallenen Rechtsextremisten, unter seinen Vorstrafen sind, illegaler Waffenbesitz, Körperverletzung und versuchter Totschlag.
Zudem kann Stefan Ernst auf eine lange Vergangenheit in der Rechtsextremenszene zurück blicken. Das antifaschistische Recherche Netzwerk Exif berichtet, dass Lübcke seit 2002 Teil der Kasseler Neonaziszene sei. Er war bei verschiedenen Kundgebungen der der lokalen Nazistrukturen anwesend und 2007 in eine Auseindersetzung mit Antifaschist*innen verwickelt. Am 1. Mai 2009 wurde Ernst bei einem Angriff von Neonazis auf die DGB Kundgebung in Dortmund festgenommen.
Schon 1993 war Ernst in Neonazistrukturen eingebunden und verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe wegen versuchten Totschlags, Ziel war damals eine Geflüchtetenunterkunft.
(https://exif-recherche.org/?p=6218)

In jüngerer Vergangenheit nahm Ernst mehrmals an öffentlichen Veranstaltungen der AfD teil, auch unterstützte er diese beim Plakatieren für die Landtagswahl 2018, persönlichen Kontakt zu den lokalen Funktionären der AfD soll es nicht gegeben haben. 
(https://www.tagesschau.de/inland/luebcke-159.html)
Dennoch wird hieran deutlich, dass Ernst sich in seinen Ansichten von der AfD am stärksten repräsentiert fühlte.

Dass bei Stephan Ernst keine Radikalisierung mehr durch die sozialen Netzwerke erfolgen musste, belegt seine Vergangenheit in der rechtsextremen Szene eindeutig, dass Ernst bereits wegen eines versuchten Anschlags verurteilt wurde, belegt seine Gewaltbereitschaft.
Trotzdem spielen auch bei Ernst die sozialen Medien eine wichtige Rolle.
Auf dem bei den Ermittlungen sichergestellte Handy entdeckten die Ermittler*innen hetzerische Kommentare. Besonders aktiv war Ernst auf YouTube wo er unter dem Pseudonym „Game Over“ kommentierte. Auch unter dem Video welches zu Berühmtheit Lübckes führte, wütet der rechte Mob. Beleidigungen „Ein widerlicher Lump, fremdgesteuert und ohne jeglichen Verstand! Fantasiert von Demokratie im Land der Meinungsfaschisten.“, Hinweise auf einen vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“ „ Wie betäubtes Vieh auf dem Weg zur Schlachtbank. Die deutschen werden ausgerottet“ „Die alten Bürger sollen das Land verlassen um Platz zu machen für die neuen, besseren Einwanderer. Wo neue Menschen kommen müssen die alten Menschen gehen. Geht denen jetzt langsam ein Licht auf, wohin die Masseneinwanderung führt?“, Gewaltaufrufe sind dort ebenso zu finden wie Morddrohungen gegen Lübcke „der penner wird einer der ersten sein die abdanken werden“
(https://www.youtube.com/watch?v=KdnLSC2hy9E Kommentare)
Solche und ähnliche Kommentare sind es, die in der rechten Community täglich gepostet werden. Diese enorme Gewaltbereitschaft innerhalb der Gesprächskultur, die als Floskeln verharmlosten Morddrohungen, sind es welche die Hemmschwelle zur Tat zu schreiten immer weiter senken. Es ist diese Sprache, die einen Handlungsdruck erzeugt und Menschen in ihrem Vorhaben zu morden die letzten Zweifel nimmt.
Stephan Ernst gibt in seinem ersten Geständnis an, Lübcke wegen des Satzes bei dem Bürgerdialog getötet zu haben. Der genaue Tatablauf ist noch nicht rekonstruiert, dennoch scheint das erste Geständnis von Stephan Ernst glaubwürdig und gilt als der mutmaßliche Mörder.
Auch dass er Unterstützung durch Markus Hartmann hatte, gilt als erwiesen. Hartman soll Lübcke sowohl zu verschiedenen Veranstaltungen als auch in der Mordnacht begleitet habe, er soll Ernst dazu ermutigt haben, den Mord zu begehen. Auch Hartmanns ehemalige Lebensgefährtin hält ihn für die treibende Kraft hinter dem Mord.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/luebcke-mord-kassel-rechtsextremismus-1.4749559)

Der Zusammenhang zwischen der brutalisierten Sprache, den ständig wiederholten Feindbilder, sowie die stetige Präsenz der Verschwörungsideologie des „großen Austausch“, wonach „politische Eliten“ einen Untergang der deutschen Kultur durch einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeiführen, spielte auch für den, in im Internet aktiven, Stephan Ernst eine wichtige Rolle.
Hier wurde er in seinem Vorhaben Walter Lübcke zu ermorden bestätigt. Es ist eine Sprache, die von Beleidigungen und Gewaltaufrufen gegen Politiker*innen ebenso geprägt ist wie von rassistischen, sexistischen und anderen menschenverachtenden Kommentaren über Minderheiten oder Andersdenkende. In diesem Umfeld erfahren die Täter*innen die Bestätigung und Befürwortung die aus ihnen potentielle oder tatsächliche Mörder werden lässt.

Lübcke hinterlässt eine Ehefrau sowie seinen beiden, erwachsenen, Söhne
“Aus Worten wurden Taten”, so Jan-Hendrik Lübcke, Sohn von Walter Lübcke
(https://www.tagesschau.de/inland/luebcke-159.html)

Blick nach Bochum

Auch innerhalb Bochum ist diese Sprache in rechten Kreisen verbreitet.
Seien es AfD Politiker*innen, die auf Facebook rassistische Postings verfassen oder innerhalb der von den Identitären gegründeten Telegramgruppe „Patrioten Bochum“.

Betrachten wir die AfD Politiker*innen in Bochum, fallen sie überwiegend durch ihre Präsenz bei Facebook auf. Sowohl auf der AfD Facebookseite als auch auf den privaten Nutzer*innenprofilen der Politiker*innen und in den dazugehörigen Kommentarspalten, lassen sich wiederholt Hetze gegen Geflüchtete, Hinweise auf Verschwörungstheorien, Bezugnahme auf ein „Großdeutsches Reich“ und Beleidigungen finden.

In einem Posting der AfD Bochum vom 24.03.2020 heißt es „Wir importieren Asylbewerber aus Griechenland und der Türkei. Eigene Staatsbürger werfen wir aber raus!? Irgendwas stimmt doch in diesem Land nicht!“ Zwar schreibt die AfD hier nicht öffentlich vom „großen Austausch“, der Inhalt ist dennoch sehr ähnlich. So spricht die AfD von „importierten Asylbewerbern“ und schafft das Bild von einem politisch gewollten „Bevölkerungsaustausch“. Das die Community dies ähnlich sieht, belegt der Kommentar, das Bestreben einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeizuführen sei „typisch für das Irrenhaus Deutschland“

Während dieser Ton noch gemäßigt daher kommen mag, ist die Botschaft, die vermittelt wird, die gleiche, wie sie von Kalbitz, Höcke und Co verbreitet wird.
Ein Blick auf die Privataccounts der Politiker*innen finden sich weniger „gemäßigte“ Inhalte. 
Während Gabriele Walger – Demolsky, wiederholt während der Coronakrise beklagt, dass „die Grenzen für deutsche geschlossen sein, zeitgleich dürften Geflüchtete weiter die Grenzen passieren“, teilt der dem Flügel zuzurechnende Markus Schröder ein Bild, welches Deutschland mit der Grenzziehung von vor 1945 zeigt. Offensichtlich wird hier der Wunsch nach einem „Großdeutschen Reich“ geäußert. Der dazugehörige Kommentar „Das ist Ostdeutschland“ und ein auf Polen deutender Finger, belegen diesen Wunsch.
(https://www.facebook.com/gabriele.walgerdemolsky?comment_id=Y29tbWVudDozMDc2NDE4OTk1NzM3Nj AxXzMwNzY0Njk3MDIzOTkxOTc%3D)

Die von Meuthen ins Spiel gebrachte Zweiteilung der AfD und die damit einhergehenden Machkämpfe machen auch vor der AfD Bochum nicht halt. Bei den auf Facebook ausgetragenen Diskussionen offenbart sich auch der Umgangston, der innerhalb der Partei herrscht. Wie bereits auf diesem Blog berichtet, beleidigt der Bochumer AfD Politiker Teile des Landesvorstand NRW als „geistige Krüppel“. Wenn bei öffentlich ausgetragen Diskussionen, dies als normal empfunden, lässt sich der Sprachgebrauch in nicht einsehbaren Kommunikationsräumen nur erahnen.
(https://afd-watch-bochum.net)
Ein Beispiel dafür, wie es innerhalb dieser Gruppen zugehen kann und welche Sprachkultur dort gepflegt wird, zeigt die Telegramgruppe „Patrioten Bochum“

Die bereits erwähnte ausführliche Recherche zur „Rechten Volksvernetzung“ bei Telegramm gewährt Einblick in die Kanäle der extremen Rechten in Bochum und darüber hinaus.

Auch innerhalb dieses von der Identitären Bewegung erstellten Telegramchannels kommt es zur Verherrlichung des Nationalsozialismus und werden Videos der Holocaustleugnerin Haverbeck verschickt. Es scheint den User*innen der Gruppe bewusst, welche Aussagen sie in dieser öffentlich einsehbaren Gruppe tätigen können und welche sie lieber in geschlossenen Kanälen kommunizieren. Belegen lässt sich dies an der Nachricht eines Users „ Ja sorry bin biss geladen Hab mir gerade vorgestellt wie es die Familie die minderjährigen geht die vergewaltigt wurde“. Die darauf erhaltene Antwort „ Wenn es um Gefühle und Rache geht, bin ich auch aggro, aber dann brauchen wir eune andere Gruppe“. Ein weiterer Grund weswegen es innerhalb der Patrioten Bochum eher gesittet zuzugehen scheint, die Admins der Identitäten Bewegung, versuchen klar Neonazistische Codes zu unterbinden, ein „bürgerlicher Anschein“ soll gewahrt werden. (https://identitaereinbochum.noblogs.org/identitaere_netzwerk_telegram/)

Der in Bochum wohnende Identitäre Falk Schakolat, zeichnet sich für die YouTube Formate „Ruhrpott Roulette“ der Identitäten und seinen Privataccount „Menschenverstandradikalismus“ verantwortlich. Über diese Kanäle tragt er enorm zu der Verbreitung und Reproduktion der Feindbilder der neuen Rechten bei.
(https://identitaereinbochum.noblogs.org/falk-schakolat/)

Innerhalb Bochums tragen eine Identitäre Bewegung, die ihren Fokus auf online Aktivismus gelegt hat, und eine in den sozialen Medien präsente AfD zur weiteren Radikalisierung neuer Menschen bei.
Obwohl die AfD Bochum im Bundesvergleich eher gemäßigt scheint und es in rechten Chatgruppen vermeintlich gesittet zugeht, ist auch hier das Gefahrenpotential welches hieraus hervor geht nicht von der Hand zu weisen. Auch innerhalb der rechten Szene Bochums sind gefährliche Wechselwirkungen, die eine rasante Radikalisierung einzelner Personen nach sich ziehen können, gegenwärtig.
Welches Gewaltpotential innerhalb der Bochumer Rechten vorhanden ist, verdeutlicht ein Vorfall aus dem Jahr 2014. Am 23. April 2014 wurde eine Gruppe lokaler AfDler, von einem Antifaschisten beim plakatieren beobachtet. Nachdem dieser seinen Unmut über die rassistischen Parolen der AfD geäußert und bereits seinen Weg fortgesetzt hatte, verfolgte der damalige Kreissprecher der AfD Johannes Paul den Antifaschisten und bedrohte ihn mit einer Gaspistole.
(http://afd-watch-bochum.net)
Welche Gefahren von solchen Ereignissen im Zusammenspiel mit einer immer weiter fallenden Hemmschwelle gegenüber Gewalt zur Folge haben können, lassen sich nur erahnen.

AfD und Rechtsterrorismus? Wie rechtspopulistische Sprache rechten Terror nährt

Teil 2 von 3

Spätestens seit 2015 ist die europäische Rechte omnipräsent. Seien es islamophobe Demonstrationen von PEGIDA, die Identitäre Bewegung und eine sich zuspitzende Entwicklung von rassistischer und rechtsextremer Gewalt, bis hin zu rechtsextreme Terrorakten.
Inmitten dessen hat eine, sich „prächtig“ entwickelnde und radikalisierende AfD die von Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, ihren Platz eingenommen.
Unabdingbar für diese Entwicklung ist die von der AfD vorangetriebene Verschärfung rechtspopulistischer Sprache und ihr Wirken im vorpolitischem Raum. Welche Mittel und Strategien dem zugrunde liegen, welche Ziele sie verfolgen und welche gefährlichen Wechselwirkungen dies hervorruft gilt es genau zu betrachten und zu beschreiben.

Vom Wort zur Tat 1
Das sich innerhalb solcher Chatgruppen Menschen radikalisieren, zeigt sich ganz deutlich an dem Beispiel der rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ . Anhand dieser Gruppe lässt sich das enorme Radikalisierungspotenzial von rechten Chatgruppen verdeutlichen. Die „Gruppe Freital“ bildete ein kleiner Personkreis, der sich bei flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen in Freital kennen lernte und vernetzte, gegenseitig bestärkte und unterstützte um schließlich fest organisiert Anschläge auf Geflüchtete und Linke zu begehen.
Die aus sieben Männern und einer Frau bestehende Gruppe traf sich erstmals bei flüchtlingsfeindlichen Protesten in Freital und vernetzte sich anschließend. Auch hierbei spielten die sozialen Medien eine zentrale Rolle. Ihr erster Schritt der Organisatierung war das Gründen einer Bürgerwehr, diese sollte in Bussen und Bahnen patrouillieren. Für diese legten sie eine Facebook Seite an, diese sammelt über 2000 Likes. Die Gruppe verfügte über ein breites Ünterstützer*innen Umfeld und sammelte Sympathisanten in einer breit vernetzten Chatgruppe, der Kern der Gruppe kommunizierte hauptsächlich über verschlüsselte Chats. Sie trafen sich an einer Tankstelle in Freital, oder in der „Timba“ Bar. Besonders brisant hieran: der damalige Wirt der Kneipe, Dirk Jährling, war aktiv in der AfD Freital, inzwischen ist Jährling ausgetreten und hat die „Bürgerinitiative Sachsen“ gegründet.
(https://www.endstation-rechts.de/news/noch-eine-afd-abspaltung.htm)

Gegenüber dem NDR Magazin Panorama gab Jährling an, den Personenkreis gekannt zuhaben,
jedoch wisse er nicht was diese so beredeten. Spätestens als die Gruppe Videos der Ausschreitungen in Heidenau, in der Timba Bar präsentierte und sich teils selbst identifizierte, war ihre Gesinnung bekannt. Das niemand der anderen anwesenden Gäste einschritt und es zu keinen Anzeigen kam, belegt eine breite Akzeptanz der Bevölkerung. Dieser Eindruck bestärkt sich, da auch im Nachgang, noch von einem „Schauprozess“ oder von „Lausbubenstreichen“ gesprochen wird und die Taten bagatellisiert werden. Auch die Einordnung der Gruppe als „rechtsterroristische Vereinigung“ wird abgelehnt, da diese ja „keine rechten Anzeichen erkennen ließen“.
(https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Terroristen-statt-Lausbuben-Hohe-Strafen-gegen-Gruppe-Freital,freital138.html)

Getrieben von der gegenseitigen Bestärkung innerhalb ihrer Kanäle und dem Zuspruch ihres Umfelds plante die Gruppe weiter Aktionen.
Hierfür trafen sie sich regelmäßig an einer Tankstelle, aus ihrem Umfeld wurden ihnen Informationen zugespielt, auch von der NPD erhielt die Gruppe Hinweise.
(https://www.der-rechte-rand.de/archive/2577/gruppe-freital/)

Die Täter*innen begannen, sich aus illegalem Feuerwerk Sprengsätze zu bauen, im Verlauf ihrer Anschlagsreihe, „verbesserten“ sie ihre Sprengsätze, erhöhten die Sprengkraft und dokumentierten dies.
Zuerst griffen sie mit selbstgebauten Sprengsätzen das Auto des Linken Politikers Michal Richter an. Anschließend teilen sie sich das Ergebnis ihrer Tat in ihrer Gruppe, und verhöhnten das Opfer. Auch das Parteibüro der linken wurde ebenso Ziel der Anschläge wie
Zwei Wohnungen für geflüchtete Menschen einen Tag zuvor.
Einen Monat später, in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2015 griffen sie gemeinsam mit der „Freien Kameradschaft Dresden“, mit der es personelle Überschneidungen gibt, ein linkes Wohnprojekt in Dresden an. An diesem Anschlag waren circa 20 Personen beteiligt, sie attackierten das Haus von beiden Seiten nutzten Buttersäure, Sprengsätze und warfen mit Steinen.
(https://taz.de/Rechtsextremismus-in-Deutschland/!5390017/)

Zwei Wochen später am 1.11.2015 wurde eine bewohnte Unterkunft für Geflüchtete zum Ziel.
Erneut wurden Sprengsätze an den Scheiben angebracht. Bei der Explosion zerbarsten die Scheiben, zwei der Bewohner wurden durch umher fliegende Scherben verletzt, einer erlitt Schnittwunden im Gesicht. Vor Gericht wird dieser Anschlag als „versuchter Mord“ gewertet.
(https://www.der-rechte-rand.de/archive/2577/gruppe-freital/)

Kurz darauf setzte die Polizei dem rechtem Treiben ein Ende. Inzwischen wurden die Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und ihre Revision wurde abgewiesen.

Das eine Sprache, die vor der Menschenwürde keine Achtung hat, die immer wieder die selben Feindbilder projiziert und voll von Gewaltverherlichung, Gewaltaufrufen und Mordfantasien gegenüber diesen ist, potentielle Täter*innen in ihrem Handeln bestärkt zeigt auch die „Gruppe Freital“ . Auch in ihren Gruppen es war diese Sprache die den Dialog über „den Feind“ bestimmt.
„Da guckt man und Erblickt nur Nigger“ steht dort am Anfang einer Nachricht, enden tut diese mit „Alle töten diese elendigen Parasiten!“.
(https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Terroristen-statt-Lausbuben-Hohe-Strafen-gegen-Gruppe-Freital,freital138.html)
Gegenüber Panorama erklärt Patrick Festing, einer der beiden Rädelsführer, er habe sich verstanden gefühlt. Innerhalb der Gruppe sei viel philosophiert und diskutiert worden und sie verstanden einander.
Wiederholt äußert er, dass ihm Wertung „rechtsterroristisch“ missfällt, er sei ja kein Nazi. Auch hier zeigt sich eine klare „Selbstverhamlosung“, wie sie in der Medienstrategie der AfD gegenwärtig ist. Eine klar definierte Grenze, was rechtsextrem ist, ist innerhalb dieser Gruppen nicht präsent, als Nazis verstehen sich dort die wenigsten. Dabei werden regelmäßig Geflüchtete als „Kanaken“ oder „Bimbos“ diffamiert, rassistische Nachrichten werden täglich versand. Wie konkret innerhalb der konspirativen Chatgruppe Anschläge besprochen werden zeigt folgendes Zitat, nach dem erfolgreich neue Sprengsätze getestet wurden „ Also kann man sagen dass die Ware perfekt für geschlossene Räume geeignet ist oder für größere Menschenmengen.“
(https://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/Terroristen-statt-Lausbuben-Hohe-Strafen-gegen-Gruppe-Freital,freital138.html)
Ganz offen zeigt sich der direkte Einfluss, einer Sprache die Gewalt gegenüber Fremden gutheißt und eine Hemmschwelle für reelle Gewalt auf ein nicht existentes Minimum senkt.

So offenbart sich am Beispiel der „Gruppe Freital“ eindeutig, welchen Gefahren das Zusammenspiel aus, rechten Chatgruppen, einem wohlgesinnten Umfeld und den durch die AfD geschaffen Diskurs in dem Hass Hetze Gewalt als normal gelten, birgt. Durch lose Vernetzung und rasende Radikalisierung in den sozialen Netzwerke, ist die Gefahr von rechtsextremen Gewalttaten allgegenwärtig.

AfD und Rechtsterrorismus? Wie rechtspopulistische Sprache rechten Terror nährt

Teil 1 von 3

Spätestens seit 2015 ist die europäische Rechte omnipräsent. Seien es islamophobe Demonstrationen von PEGIDA, die Identitäre Bewegung und eine sich zuspitzende Entwicklung von rassistischer und rechtsextremer Gewalt, bis hin zu rechtsextreme Terrorakten.
Inmitten dessen hat eine, sich „prächtig“ entwickelnde und radikalisierende AfD die von Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, ihren Platz eingenommen.
Unabdingbar für diese Entwicklung ist die von der AfD vorangetriebene Verschärfung rechtspopulistischer Sprache und ihr Wirken im vorpolitischem Raum. Welche Mittel und Strategien dem zugrunde liegen, welche Ziele sie verfolgen und welche gefährlichen Wechselwirkungen dies hervorruft gilt es genau zu betrachten und zu beschreiben.

Rechtspopulistische Sprache

Rechtspopulistische Sprache ist gekennzeichnet von einer starken Metaphorik, dem Heroisieren der eigenen Kultur und im selben Zusammenhang einer klaren Abgrenzung gegenüber allem Fremden. Auffällig ist hierbei eine enorme Verrohung und Brutalisierung der Sprache, welche in rechten Kreisen alltäglich, in der öffentlichen Wahrnehmungen hingegen als grenzüberschreitend empfunden wird.

Diese Strategie der Neuen Rechten durch stetige Provokation, Tabubrüche und anschließendes Relativieren, einen möglichst großen medialen Aufschrei zu generieren geht auf. Die gewonnene Aufmerksamkeit wird genutzt um öffentlichkeitswirksam zurückzurudern, um sich und die eigenen Positionen damit weiterhin als „konservativ“ oder „bürgerlich“ labeln zu können.

Diese Strategie ist in der rechtsextremen und in Teilen faschistischen AfD weit verbreitet. Immer wieder fallen führende Politiker*innen durch menschenverachtende Aussagen auf. So antwortete die damalige stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch bei Facebook auf die Frage, ob die Partei an den Grenzen Frauen und Kinder mit Waffengewalt stoppen wolle, mit „Ja“.
Die Folge waren ein großer Öffentlicher Aufschrei sowie ein teilweises zurückrudern am Folgetag: “Gegen Kinder ist der Schusswaffeneinsatz richtigerweise nicht zulässig. Frauen sind anders als Kinder verständig.“ seitens von Storch.
(https://www.zeit.de/politik/2016-01/alternative-fuer-deutschland-beatrix-von-storch-petry-schusswaffen)
Zwar erntete von Storch für ihren Post allerhand Kritik und wegen ihrer Erklärung, „sie sei auf der Maus abgerutscht“ auch reichlich Spott.
Dennoch zeigt sich klar welches Kalkül hinter dieser Äußerung steht, die Antwort wirkt berechnet. 
In der aufgeheizten Debatte begründet von Storch ihre Äußerung mit „geltendem Recht“ und schreibt von dem „Einsatz von Schusswaffen als letztes Mittel“.
(https://www.henning-uhle.eu/wirtschaft-soziales/beatrix-von-storch-und-der-schiessbefehl-auf-fluechtlinge)

So wird aus einer AfD die an den Grenzen auf geflüchtete Menschen schießen lassen will, eine Partei die vermeintlich mit beiden Beinen auf den Gesetzen der Bundesrepublik steht. Punkte die auf der einen Seite ein extrem rechtes, auf der anderen Seite ein konservatives Lager ansprechen.

Dass verrohte und brutale Sprache unter Rechtspopulisten an der Tagesordnung ist, belegt eine Rundmail des AfD Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer eindeutig. Am 09.01.2016 schreibt dieser unteranderem „Die Merkelnutte lässt jeden rein, sie schafft das“,“Dumm nur, dass es UNSER Volkskörper ist, der hier gewaltsam penetriert wird.“ Dass es sich hierbei eher zweitrangig um eine Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik handelt, als um wüste Beschimpfungen und eine Hasstriade, ist auch ihm selbst bewusst, dennoch hält es Boehringer für die „einzige angemessene Sprache gegen Merkel“. Dass dieser Ton unter Rechtspopulisten nichts Ungewöhnliches zu sein scheint, zeigt sich daran, dass Boehringer sich damit rechtfertigt die scharfe Fassung der Mail nur an einen „ganz kleinen Privaten Kreis“ versandt zu haben. In diesem ist der Ton offenbar kein Problem. Ein Problem scheint solch ein Vokabular für ihn maximal in der Öffentlichkeit zu sein.
(https://www.spiegel.de/politik/deutschland/peter-boehringer-e-mail-bringt-afd-mann-in-erklaerungsnot-a-1192686.html)

Ein weiterer wichtiger Aspekt rechtspopulistischer Sprache ist das Hervorheben der eigenen Kultur und einer vermeintlich deutschen Identität. Hierbei gilt es die eigene Kultur als etwas beständiges und überlegenes darzustellen, die bedroht werde und verteidigt werden müsse.
Auch hierfür lassen sich Aussagen von AfD-Politiker*innen als Beispiel heranziehen. 
Da wären zu einem Alexander Gauland, der wiederholt Bezug auf eine „1000 Jährige deutsche Geschichte“ nimmt, den Holocaust nur einen „Vogelschiss“ nennt oder das Recht einfordert, „auf die Leistung deutscher Soldaten in zwei Weltriegen stolz zu sein“.
(https://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-relativiert-verbrechen-der-wehrmacht-15199412.html)

Zum anderen dient ein Tweet des AfD Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz, der einen unter Beschuss geratenen Konvoi der Bundeswehr, folgendermaßen kommentiert: „Ganz Afrika ist nicht die gesunden Knochen eines einzigen deutschen Grenadiers wert.“ als Beispiel.
(https://twitter.com/Th_Seitz_AfD/status/1097390382294409217)

Einerseits offenbart sich hieran menschenverachtendes Denken, dass die Wertigkeit der gesamten Bevölkerung des afrikanischen Kontinent, einem deutschen Soldaten unterordnet. Anderseits zitiert er Otto von Bismarck, der während der Balkankonferenz 1878 sagte: „Der Balkan ist mir nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert“.
(https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_otto_fuerst_von_bi smarck_thema_balkan_zitat_3914 6.html)

Dass in diesem Fall bewusst Bismarck zitiert wurde, passt ins Bild, dessen Rahmen Gauland schafft, wenn er von einer „1000 jährigen deutsche Geschichte“ spricht. Preussen und seine feudale Ordnung dient vielen in der AfD als großes Vorbild.

Die bereits veranschaulichte Strategie der AfD im Umgang mit den Medien beruht maßgeblich auf den Ideen des neurechten Verlegers Götz Kubitschek. Der Leiter des Antaios Verlags und Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik (IfS) genießt in der neurechten Szene große Anerkennung. Kubitschek gilt als Vordenker, Mentor und Ideengeber der neuen Rechten. Auf seinem Grundstück in Schnellroda finden Treffen und Schulungen statt. 2019 waren bei der vom IfS ausgetragenen Sommerakademie im September Alice Weidel und Jörg Meuthen zu Gast. Am 06.03.2020 kamen bis zu 250 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet zu einem dort stattfindenden Flügeltreffen. Unter den Redner*innen waren neben Götz Kubitschek selbst, Björn Höcke und Andreas Kalbitz die wie keine anderen das rechtsextreme Gesicht der AfD verkörpern.
(https://twitter.com/M000X/status/1236232179816042510)

Vor Ort war 2020 auch eine Delegation Identitärer aus Bochum und Umgebung.
So zeigt sich hier offen die gemeinsame ideologische Grundlage der AfD und der extremen Rechten deutschlandweit. Eine Distanz der Gesamtpartei zur extremen Rechten besteht somit nicht mehr.
(https://twitter.com/IbDoku/status/1236309573839073285)

Zu den weiteren von Götz Kubitschek besuchten Veranstaltungen gehört das Kyffhäusertreffen ein jährlich stattfindendes Treffen des inzwischen aufgelösten Flügel der AfD, bei dem auch die Bundesspitze regelmäßig eine Bühne geboten bekommt. So waren Jörg Meuthen, und Alexander Gauland 2017 und 2018 unter den Rednern. 2019 sprach Kubitscheks Frau Ellen Kositza vor den AfDlern.
(https://www.youtube.com/watch?v=ktzHctaHeEo)

Dass diese Strategie der Selbstverharmlosung innerhalb der AfD massiv angewandt und wiedergegeben wird, ist klar. Rene Augusti, zu dem Zeitpunkt Teil des salzwedeler AfD-Kreisvorstands, schrieb in eine geschlossenen Facebookgruppe „Die Völkerwanderung muss aufgehalten werden. Die sich Deutsche nennen und dies fördern gehören an die Wand gestellt.“ Daraufhin empfahl ihm sein Parteikollege Daniel Roi, derartige Sätze besser zu unterlassen, „da es schaden würde, wenn die Presse dies ausschlachten würde.“ Außerdem empfiehlt er „genau auf die Formulierung zu achten“. Hier zeigt sich ganz deutlich das diese Strategie auf sämtlichen Ebenen der Partei, von Kommunal- bis Bundespolitik, anklang findet.
(https://www.neues-deutschland.de/artikel/987827.afd-funktionaer-ruft-indirekt-zum-mord-auf.html)

Innerhalb der Neuen Rechten wird immer wieder von der vermeintlichen Gefahr der Überfremdung durch geflüchtete Menschen erzählt und die Verschwörungstheorie vom “Großen Austausch” bemüht. Zudem gesellt sich die propagierte Sorge vor einem aussterben der deutschen Kultur durch eine sinkende Geburtenrate, sowie eine Verweichlichung der Gesellschaft herbeigeführt von sogenannten „Kulturmarxisten“. Aufällig hieran ist, dass das Konzept „Political Correctness“ häufig als „Genderwahn“ und „Genderunfug“ verunglimpft wird, als Feindbild dient. Menschen, die offen für eine geschlechtergerechte Sprache einstehen, werden als „Genderpolizisten“ gebrandmarkt, die anderen Menschen eine Meinung aufzwingen wollen. Dies offenbart ganz deutlich das eine diskriminierungsfreie Sprache nicht gewünscht ist. Rechtspopulistische Sprache versucht, alte Muster und Traditionen aufrecht zu erhalten und verschließt sich gegenüber Veränderungen, die eine diskriminierungsfreie Sprache mit sich bringt. (https://afdkompakt.de/2019/03/12/die-sogenannte-gendergerechte-sprache-ist-ein-orwell-projekt/)

Einer, der die These „Deutschland sei durch Migranten bedroht“ immer wieder vertritt, ist Björn Höcke. Der Vorsitzende der AfD Thüringen warnt 2017 in einer Rede bei einem Bürger Dialog in Dresden: „Liebe Freunde, unser liebes Volk ist im Inneren tief gespalten und durch den Geburtenrückgang sowie die Masseneinwanderung erstmals in seiner Existenz elementar bedroht“.
(https://www.youtube.com/watch?v=sti51c8abaw&t=1h12m ab 01:10:16)

Der Geburtenrückgang wird innerhalb der neuen Rechten auch als Produkt des Feminismus verstanden. Die emanzipierte Frau ist für den Untergang der deutschen Kultur verantwortlich, da sie sich nicht in ein traditionelles Familienbild einfügen lässt und Selbstbestimmung sowie Gleichberechtigung einfordert.
Die Gefahr, die von Geflüchteten ausgehen soll, wird immer durch eine starke Metaphorik begleitet. Während Höcke von Masseneinwanderung spricht und so ein Bild einer unüberblickbaren Menge an Menschen projiziert, spricht Partei Kollegin Von Storch von einer „neuen Flüchtlingswelle“ und Alice Weidel von „Messermännern“.
(https://www.youtube.com/watch?v=ZEGj1T0pnR0)

Diese Metaphern deklarieren Schutzsuchende als eine gefährliche, nicht kontrollierbare Gruppe. Es wird suggeriert, dass eine erhebliche Gefahr von ihnen ausginge, gegen die es sich zu verteidigen gilt. Zugleich schiebt man sich selbst in die Opferrolle, die einem “Notwehr” zumindest erlaubt.

Die im Bisherigen erläuterten Muster und Strategien haben direkte Auswirkungen auf den breiten politischen Diskurs, mit dem Ziel, diesen zu verändern.
 Durch die stetige Grenzüberschreitung und die damit einhergehende mediale Präsenz gelingt es der AfD einen großen Teil der politischen Berichterstattungen vorzugeben und ihre eigenen Themen in der Debatte zu platzieren. Ihre Präsenz in den sozialen Medien ermöglicht es der AfD, wie keiner anderen Partei, die rechte Filterblase zu bespielen. Die Partei und ihre Mitglieder sind in den sozialen Medien mit vielen Accounts vertreten und in Gruppen eng mit ihren potenziellen Wähler*innen vernetzt. Hinzu kommen neurechte Netzwerke um die extrem rechte NGO “EinProzent” und unzählige Gruppen in den sozialen Medien.
Hierdurch gelingt es den Rechten, einen „vorpolitischen Raum“ mit eigene Inhalten zu besetzen und die Leute direkt mit Inhalten zu versorgen.
Dass die Neue Rechte nicht nur in den sozialen Netzwerken deutschlandweit vernetzt ist, sondern auch bei Messengerdiensten wie Telegramm, haben die Genoss*innen von IB Doku in einer ausführlichen Recherche dargestellt.
(https://identitaereinbochum.noblogs.org/identitaere_netzwerk_telegram/)

Dass die Sprache der Rechtspopulist*innen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs hat und es schafft ihre eigene Sprache in diesem zu etablieren, zeigt sich sowohl an den „Unwörtern“ der letzten Jahre, als auch einer enormen Verrohung der Sprache in den sozialen Netzwerken, in denen sich täglich Hass und Hetze finden lassen. So zeigen es auch zwei äußerst fragwürdige Gerichtsurteile gegen Renate Künast, wonach Beleidigungen wie „Stück Scheiße“ und „Drecksfotze“ von der freien Meinungsäußerung gedeckt sind. Aktuell läuft ein Berufungsverfahren seitens Renate Künast gegen dieses Urteil.
(https://www.tagesschau.de/kuenast-105.html)
Zu den Unwörtern der letzten Jahre zählen 2015 Gutmensch, 2016 Volksverräter, 2017 Alternative Fakten, 2018 Anti-Abschiede-Industrie und 2019 Klimahysterie. Allesamt Wörter die einem rechtem Sprachbild entstammen und ihr Wirken im gesellschaftlichen Diskurs eindrucksvoll unter Beweis stellen.
(https://www.dw.com/de/die-unworte-des-jahres-seit-1991/a-18974244-0)

Fremde Gefahr

Durch die immer wieder heraufbeschworenen Gefahr, die für Deutschland bestünde, konstituiert die neue Rechte einen Handlungsdruck, es sei an der Zeit, Deutschland zu verteidigen. Diese Vorstellungen beruhen auf der Verschwörungsideologie des „Großen Austausch“.
Maßgeblich geprägt wurde diese Verschwörungsideologie von dem rechtsextremen französischen Autor und Philosophen Renaud Camus. Im deutschsprachigen Raum bietet der Antaios Verlag der Theorie eine Bühne und trägt so zur Verbreitung dieser Legende bei, starken Zulauf erhält er hier aus der „Identitären Bewegung“ und von der AfD, die sich immer wieder öffentlich auf den „Großen Austausch“ beziehen. Auf dieser Bühne veröffentliche rechtsextreme Autoren wie Akif Pirincci oder Martin Sellner, Aushängeschild der österreichischen Identitären.
Die von der Amadeu Antonio Stiftung betriebene Website „Bell Tower News“ fasst die Verschwörungsideologie folgendermaßen zusammen:

„Der große Austausch“ besage, dass Regierungen und/oder „geheime Mächte“ daran arbeiteten, die kritische, einheimische (völkisch-rassistisch definierte) Bevölkerung auszutauschen gegen eine Bevölkerung aus Migrant*innen, die leichter zu lenken sei. Dies geschehe einerseits über Migration und Fluchtbewegungen und andererseits über den „Volkstod“ (die als einheimisch definierten Menschen bekämen viel weniger Kinder als die Menschen mit Migrationshintergrund und stürben deshalb aus).“
(https://www.belltower.news/lexikon/grosser-austausch/)

Heraus kristallisieren sich zwei Übergeordnete Feinbilder, da wären zu einem die „politischen Eliten“ unter denen sich Politiker*innen, Jüd*innen, Feminist*innen und weitere progressive Strömungen fassen lassen. Zum anderen „Fremde Invasoren“ unter denen vor allem Geflüchtete Migrant*innen und alle nicht weißen Menschen verstanden werden.

Genau diese beiden Feindbilder finden sich auch bei den Mitgliedern der Alternative für Deutschland wieder.
Hetze gegen die so genannten „Altparteien“, „Kulturmarxisten“ oder einem so genannten „Migrantenmob“ gehören zu den täglichen Ritualen der AfD.

Das die Verschwörungstheorie selbst in obersten Parteigremien anklang findet, zeigt Alice Weidels rassitische E-Mail die sie im Februar 2013 an eine Privatperson schrieb. Darin heißt es „Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermächte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten indem molekulare Bürgerkriege in den Ballungszentren durch Überfremdung induziert werden sollen.“
(https://www.welt.de/politik/article168489086/Alice-Weidel-will-Veroeffentlichung-rassistischer-E-Mail-stoppen.html)

Das Weidel hier die Theorie des “goßen Austausch“ skizziert, zeigt sich zum einen an der antisemitischen Metapher der „Marionetten“. Das Bild der Marionette wird häufig für Politiker*innen verwendet, welche durch einen Puppenspieler gesteuert werden. Dieser Puppenspieler symbolisiert eine „jüdische Weltverschwörung“ welche aus dem Hinterzimmer die Geschehnisse der Welt lenke. Bekannt ist diese Symbolik unteranderem aus nationalsozialistischen Propagandazeitschriften.
(Ein Beitrag der über Antisemitismus in der AfD aufklärt ist bereits auf diesem Blog erschienen.)
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2018/12/A.7_Methode_VT_und_Antisemitismu s.pdf)

Des weiteren spricht Weidel von einem „Bürgerkrieg“, der durch „Überfremdung induziert“ werden solle. Auch hier ist die Parallele zu der Mär vom „großen Austausch“ nicht zu leugnen.

Die Resonanz, die solche Äußerungen beim rechten Publikum hervorrufen ist groß. In rechten Gruppen wird fleißig gepostet, geteilt und kommentiert. Es werden neue Kontakte geknüpft, bestehende gestärkt und sich untereinander vernetzt, begleitet wird dies von einem ständigen rechten Input und der zunehmenden Radikalisierung der User*innen. Die bereits geschilderte Verrohung der Sprache ist hier ebenso gegenwärtig, wie die starke Präsenz der Ideologie des „großen Austauschs“ gebrandmarkten Feindbilder.
Innerhalb dieser Gruppen, wie sie auf Plattformen und Messengerdiensten wie Facebook, VK, 8chan, Telegram oder WhatsApp, zugegen sind, schafft sich die neue Rechte eine Gegenöffentlichkeit. Gefährliche Wechselwirkungen sind die Folge, die Kanäle erhalten täglich neuen rechten Input, es werden Gerüchte über Straftaten von Geflüchteten und rassistische Memes geteilt, Beleidigungen und rape Culture sind in den Kommentaren allgegenwärtig, ohne dass kritische User*innen mitlesen und die Lügen aufdecken können. Somit erfahren die User*innen täglich Bestätigung für ihre menschenfeindlichen Positionen und bestärken sich gegenseitig in ihrem handeln.
(https://www.sueddeutsche.de/digital/facebook-wie-sich-rechte-in-geschlossenen-facebook-gruppen-radikalisieren-1.3664794)

Hierdurch setzt eine fortschreitende Radikalisierung der rechten Community ein, die Menschen fühlen sich, wie von der AfD propagiert, bedroht und die Hemmschwelle für Gewalt sinkt, Gewalttaten werden glorifiziert, geplant und vollendet. Es kommt vom Wort zur Tat.

Antisemitismus in der AfD

Antisemitische Äußerungen werden in der AfD nicht direkt getroffen, sondern scheinen in der Leugnung der Shoah, im Geschichtsrevisionismus und in Verschwörungstheorien durch, die von einzelnen Parteimitgliedern verbreitet werden. Die Leugnung oder Relativierung def Shoah werden auch als sekundärer Antisemitismus bezeichnet. Die AfD versucht sich weder klassisch-neonazistisch noch offen antisemitisch zu geben, sondern legt ihren Fokus auf die Hetze gegen Migration und den Islam. Durch die Verschiebung des aktuellen Feindbildes stellt sich die AfD als harmlose Partei der sogenannten Mitte der Gesellschaft dar. Diese Strategie ist sowohl aus der Geschichte wie auch von anderen rechten Gruppierungen bekannt und dient eher der Kaschierung des Antisemitismus in den eigenen Reihen als der Bekämpfung eben dessen. Die AfD ist mit ihrem antimuslimischen Kurs beliebt bei Rechtsradikalen und ein Zuhause für Stimmen aus diesem Spektrum. Gleichzeitig ist antimuslimischer Rassismus nicht erst seit wenigen Jahren anschlussfähig an bestehende gesellschaftliche Ressentiments, sondern bildet ein Scharnier zwischen extremer Rechter und dem Rest der Gesellschaft.

Von sich ablenken und Solidarität vortäuschen

Die Partei schreibt dem Islam und muslimischen Menschen per se Antisemitismus zu. Die Sozialisation in islamischen Umfeldern würde die Verbreitung dieses Ressentiments prägen. Der Glaube an den Islam wird hier auch mit einer arabischen Herkunft gleichgesetzt. Damit werden die Menschen unter einen Generalverdacht gestellt, so beispielsweise durch Gauland im Bundestag, der für Angriffe auf Träger*innen der Kippa muslimische Migrant*innen verantwortlich macht. Tatsächlich ist Antisemitismus bei Muslimen verhältnismäßig stark verbreitet. Antisemitismus ist jedoch kein Ressentiment, das einer Menschengruppe eigen ist, sondern ist überall in der Gesellschaft vertreten. Muslime stellen somit in der deutschen Gesellschaft keine Ausnahme dar, sondern wachsen auch hier in einer Gesellschaft auf, die Antisemitismus billigt oder gar verbreitet.

Der Bochumer AfD-Abgeordnete Christian Loose hat zusammen mit Sylvia Pantel (CDU), Michael Naor (jüdischer Psychologe) und Anette Schultner (ehemals Chefin der „Christen in der AfD, dann aus dem Flügel und der Partei ausgetreten) eine Kolumne auf dem privaten Nachrichten-Blog nrw-direkt.net.

Dort erschienene Beiträge zu Israel lassen zunächst eine solidarische Haltung durchblicken. Die AfD versucht sich mit dieser Strategie vom Antisemitismus frei zu sprechen. Gleichzeitig relativiert sie diesen mit der Implikation, Antisemitismus wäre außerhalb des Islam nicht vorhanden oder irrelevant. Die Partei solidarisiert sich aus Eigennutz mit Jüdinnen und Juden. Diese Strategie ist bereits aus der Sozialpolitik und dem falschen Feminismus der AfD bekannt, wo vorgeschobene Solidarität gegenüber Armen und gegenüber Frauen ausgeübt wird, um im gleichen Atemzug Migrant*innen zu beschimpfen.

Das stellt eine Parallele zum gesamten rechten Spektrum dar. Es werden vermeintliche gesellschaftliche Missstände konstruiert, deren Ursache meist ganz woanders liegen. Die ursprünglich durch den Kapitalismus hervorgerufenen Probleme haben eine komplexen Struktur aus Verantwortlichen, werden von Rechts jedoch vereinfacht dargestellt und einer einzigen Gruppierung zugeschrieben: Den Jüdinnen und Juden, den Homosexuellen, den Feministinnen ode eben den Migrant*innen.

Ein extrem rechter Sammelpunkt

Der Zentralrat der Juden und viele weitere jüdische Vereinigungen warnen bereits seit der Parteigründung vor der AfD. Die Mitglieder der völkisch-nationalistischen und extrem rechten Partei weigerten sich als einzige, bei einer Rede im Bundestag zum Holocaust-Gedenktag aufzustehen. Außerdem werden Leugner*innen der Shoah nicht konsequent aus der Partei ausgeschlossen. Stattdessen werden sie in Schutz genommen und es wird angezweifelt, dass eine Aussage tatsächlich antisemitisch war. Auch wird sich nicht ausreichend von antisemitischen Äußerungen distanziert. So stellt sich Alexander Gauland hinter Björn Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als “Denkmal der Schande” bezeichnet. Der Nationalsozialismus sei zudem nur ein “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte, wodurch die historische Relevanz und Einzigartigkeit der Verbrechen unter Hitler zentral gegen Jüdinnen und Juden relativiert werden.

Die öffentliche Gedenkpolitik zum Holocaust wird somit nicht nur abgelehnt, sondern auch sabotiert. Geschichtlicher Revisionismus gehört somit bei der AfD schon fast zum guten Ton. Verantwortung für das, was war, ist und sein wird (nie wieder!) weist die AfD von sich. Sie lehnt den Konsens der Erinnerung an NS-Verbrechen ab und möchte den Geschichtsunterricht in ihrem Interesse verändern. Die Junge Alternative skandierte auf einem internen Treffen „Hamas, hamas, Juden ins Gas“. Die Partei beherbergt zwei rechtsradikale Gruppierungen, die Patriotische Plattform und der Flügel, welche beste Kontakte zur extremen Rechten wie zum Beispiel der Identitären Bewegung unterhalten. Die extreme Rechte widerum zeichnet sich durch offenen Antisemitismus aus.

Der Antisemitismus und die globale Elite

Indirekte Äußerungen verstecken nicht nur im geschichtsumdeutenden sekundären Antisemitismus, sondern auch im strukturellen Antisemitismus. Dabei wird hinter globalen politischen Abläufen eine im Verborgenen liegende, alles leitende Geheimgesellschaft konstruiert, wie zum Beispiel in Verschwörungstheorien. In diesen wird oft eine unbekannte Macht, die Elite, für das Weltgeschehen verantwortlich gemacht. Nicht selten ist diese jüdischer Herkunft und wird als das Böse schlechthin dargestellt. Mit solchen Theorien wurde im NS der Holocaust legitimiert. Auch heute meinen 55 % der deutschen Wähler*innen, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss (laut einer Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach). Etwas besser getarnt findet sich struktureller Antisemitismus in Äußerungen von AfD Politiker*innen wieder. So behauptete Gauland in Bezug auf den UN-Migrationspakt: “Linke Träumer und globalistische Eliten wollen unser Land heimlich in ein Siedlungsgebiet umwandeln” und vermutet hier aus der Luft gegriffene heimliche Vorgänge, die von Eliten kontrolliert würden. Jüdinnen und Juden müssen nicht einmal genannt werden oder direkt gemeint sein. Allein das Denkmuster einer Verschwörung ist strukturell antisemitisch, da es an gängige Ressentiments egenübre Jüdinnen und Juden anschließt.

Die teils revisionistische Geschichtsdeutung lässt sich ebenfalls an einem Beispiel erläutern. So fiel bspw. Matthias Helferich, Beisitzer der Landtagsfraktion aus Dortmund, bei einer Wahlparty 2017 durch eine blaue Kornblume am Revers auf, die symbolisch auf die nationalsozialistische Schönerer-Bewegung zurückgeht und in Österreich als Erkennungszeichen der Nazis gilt. Auch Martin Renner, Mitbegründer der Partei und Mitglied des Bundestags aus Essen, fiel durch geschichtsrevisionistische Aussagen auf und warnt regelmäßig vor einer angeblichen „Schuldkult-Hypermoralisierung“ und stellte sich trotz aller Kritik hinter Björn Höcke.

Die Partei Alternative für Deutschland bietet neonazistischen Wähler*innen ein Zuhause und ist eine Plattform für Menschenfeindlichkeit aller Lager.

Lobby gegen Klimagerechtigkeit

Die umwelt- und klimapolitischen Forderungen der AfD belaufen sich auf eine konservative Verteidigung des Ist-Zustands. Eine Energiewende lehnt die AfD komplett ab und zeigt damit keinerlei Interesse an einer Co2-Reduktion um damit die Klimakatastrophe aufzuhalten.

Keine Arbeit ohne Kohle?

Dabei werden Arbeitnehmer*innenrechte argumentativ ausgenutzt, zum Beispiel bei der Diskussion um das rheinische Braunkohlerevier. Die hiesigen Klimaschützer*innen positionieren sich regelmäßig für einen Kohleausstieg, bei dem die Arbeitsplätze mittelfristig erhalten bleiben. Der Rückbau der Anlagen muss schließlich auch stattfinden. Die betroffenen Arbeiter*innen werden von der AfD, wie auch von anderen Parteien, gegen Klimagerechtigkeit als Form der globalen Solidarität ausgespielt. Dabei sind insbesondere Menschen, die ohnehin sozial benachteiligt sind, von der Klimakatastrophe betroffen. Erst letzten Sommer konnte durch die Krise in der Landwirtschaft beobachtet werden, wie sich die beginnende Klimakatastrophe auf andere Berufsgruppen auswirkt und diese in ihrer Existenz bedroht. Eine nachhaltige Lösung sollte keine Arbeitnehmer*innen gegeneinander ausspielen sondern die Existenzgrundlage Aller sichern. Dazu ist es essentiell Lösungen zu finden, welche sowohl für die Arbeiter*innen im Kohlebau eine berufliche Zukunft bringt, ohne dabei Andere zu benachteiligen.

Schulterschluss von der AfD und RWE

Der Kohleausstieg bis 2038 als derzeitige Verhandlungsgrundlage wird unter anderem von AfD-Abgeordnetem Christian Loose (MdL NRW und AfD Bochum) dahingehend kritisiert, dass er Arbeitsplätze kosten würde und, dass die Grundversorgung an Energie nur durch fossile Energieträger sicherzustellen sei. Dabei geht es den Klimaschützer*innen um einen sozialverträglichen Kohleausstieg, welcher Arbeitsplätze langfristig umgestalten soll und neue Möglichkeiten in dem Bereich der erneuerbaren Energien eröffnet. Die Warnung davor, dass Deutschland ohne Strom darstehen würde, ist angesichts des europäischen Energienetzes und des massiv ansteigenden Stromexport Deutschlands reine Panikmache. In absoluten Notfällen kann Strom auch von Nachbarländern eingekauft werden. So fungiert Loose hier als Lobbyist für RWE, wo er vor seiner Tätigkeit im Landtag im Controling gearbeitet hat, während er gleichzeitig versucht sich als Interessensvertreter des “kleinen Mannes” zu inszenieren.

Wissenschaft?!

Christian Loose aus Bochum

Bedauerlicherweise leugnet die Partei wissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Klimaforschung. Dies zeigt sich aktuell in der Debatte um Dieselfahrzeuge deren Feinstaubbelastung Christian Loose über eine generell verbesserte Luftqualität versucht zu relativieren. So verkennt er aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu den gesundheitlich gefährdenen Effekten des Feinstaubs. Dieses Verhalten der AFD geht so weit, dass die menschengemachte Klimakatastrophe komplett in Frage gestellt wird. Die Kriterien, nach denen wissenschaftliche Forschung betrieben wird, werden streng überprüft und sobald ein fragwürdiger Bericht erscheint, versuchen bereits einige Foscher*innen, diesen zu widerlegen. Weltweit sind sich ca 95% aller Klimaforscher*innen einig über die Folgen der Erderwärmung von 1,5 auf 2 Grad: die Ozeane werden wärmer, Gletscher tauen, Permafrostböden erwärmen sich, Eisschilde verlieren an Masse, der Meeresspiegel steigt weiter an. Der Weltklimabericht warnt vor massiven Folgen für Menschen und Tiere. Auf die nicht widerlegten Fakten können und sollten sich Politiker*innen stützen, anstatt den Stellenwert von Wissenschaft kontinuierlich zu untergraben. Denn nur so können wir falsch wiedergegebenen und erfundenen Fakten (“fake news”) begegnen. Sogenannte false facts dienen der hetzerischen Meinungsmache und sollten stets hinterfragt werden. Die anti-aufklärerischen Tendenzen der AfD sind weder für den Umgang mit der Klimakatastrophe, noch für jeglichen politischen Diskurs haltbar.

Das Klima ist neoliberal geprägt

Die Schüler*innenbewegung Fridays For Future wird nicht nur im Ton von CDU und FDP dafür kritisiert, dass sie das Mittel der Unterrichtsverweigerung nutzen, um sich Gehör zu verschaffen. Auch werden die zentralen Belange der Jugendlichen ignoriert, sich für ihre eigene Zukunft auf einem lebensfähigen Planeten einzusetzen.

Neben den Forderungen der AfD, die sich gegen jegliche Bemühungen für ein besseres Klima wenden, leugnet diese Partei den Klimawandel in ihrem Programm gleich komplett. Damit schaut sie bei einem grundlegenden Problem unserer Zeit einfach weg und versucht gar nicht erst, Lösungen dafür zu finden. Die Hauptursachen der Klimazerstörung sind Massentierhaltung und das Festhalten an fossilen Energieträgern, das sich mit der Ausrichtung auf Wirtschaftsinteressen großer Konzerne paart. Das scheinheilige Pochen auf Arbeitsplätzen entspricht der vorgeschobenen Sozialpolitik der AfD. Das nationalistische Gedankengut in dieser Partei wird niemals angemessene Antworten auf die Klimaerwärmung finden, die nicht an Landesgrenzen Halt macht. Schlimmer noch: die AfD steht für eine ultra-neoliberale Politik, die den menschengemachten Klimawandel und dessen katastrophale Folgen sogar noch beschleunigen wird. Die Kosten der Zerstörung werden am Ende du und ich zahlen müssen.

Freiheit stirbt mit Sicherheit

Die Sicherheitspolitik der AfD basiert auf zwei Droh-Szenarien, die im derzeitigen politischen und medialen Diskurs vorherrschend sind. Zum einen stelle Immigration angeblich durchweg krimineller, männlicher Menschen ein Sicherheitsrisiko dar – wie sich später jedoch zeigen wird, sprechen die Zahlen dagegen. Auf der anderen Seite wird wiederholt die Bedrohung durch vermeintlich gewaltbereite “Linksextreme” skizziert. Doch auch hier ist das Bedrohungsszenario eine Fiktion.  Damit schließt sie auch an extrem rechte Denkmuster der Konservativen Revolution an, nach der es eine angebliche Bedrohung durch äußere und innere Feinde gebe.

Schuld sind immer die anderen?

Dagegen scheint die AfD wie ein Mantra die Schließung der deutschen oder europäischen Außengrenzen und die Abschiebung von Migrant*innen als Allheilmittel der Sicherheitspolitik anzupreisen. Solch eine Maßnahme ist nicht nur ein Sinnbild des stetigen Rassismus der AfD, sie greift auch noch gänzlich zu kurz. Aktuelle Kriminalstatistiken widersprechen dem Bild der AfD, nach dem massenweise “kriminelle Ausländer” über deutsche Frauen herfallen würden. Ein Bild, welches vor allem über emotional aufgeladene Einzelfälle aufrechterhalten wird, die sich am Ende nicht selten als Falschinformationen herausstellen. Vermeintliche Lösungen greifen darüber hinaus aufgrund der rassistisch motivierten Reduktion des Problems sexualisierter Gewalt zu kurz: Sexualisierte Gewalt ist kein importiertes Problem, sondern tief in patriarchalen Gesellschaften wie auch der deutschen verwurzelt. Auch bezüglich anderer Straftaten bewirken Abschottung und Abschiebung lediglich eine vermeintliche Verlagerung des Problems nach Außen.

Diese Art Politik zu betreiben zeigt sich auch in dem Scheinszenario der, wie die AfD sie sieht, “Terrororganisation Antifa”. Die Problematik dabei ist, dass aus Fiktion reale politische Forderungen entstehen. Neben unmenschlichen Forderungen der Grenzsicherung um jeden Zweck, wird eine rigide Überwachungspolitik im Inland gefordert. Während aktuell in den Landtagen ein restriktives Polizeigesetz nach dem anderen verabschiedet wird, das extrem in freiheitliche Grundrechte eingreift, gibt die AfD auch in NRW offiziell von sich, noch härtere Gesetze zu wollen.

Die sicherheitspolitischen Vorstellungen der AfD entsprechen einer radikal autoritären Ideologie und münden in einer Sicherheitspolitik, die von ständiger Überwachung, Repression und Ausgrenzung dominiert wird.

Starker Staat und Autoritarismus

Könnte die AFD ihre Sicherheitspolitischen Forderungen umsetzen, würden nicht nur potentiell Menschen an den Außengrenzen erschossen werden, sondern auch die in Deutschland lebenden Menschen in ihrer Freiheit massiv eingeschränkt und überwacht. So forderte die Ratsfraktion der AfD in Bochum einen massiven Ausbau der Kameraüberwachung in der Innenstadt, obwohl diese nachweislich keinen Effekt auf Kriminalität und Prävention hat. Gleichzeitig kritisierte die AfD in der Vergangenheit den Vorstoß der CDU in Sachsen, Überwachung moderner Kommunikationsmedien auszuweiten. Das reaktionäre Verhalten der AfD, frei nach dem Motto “Hauptsache dagegen”, wird hier deutlich. Neben der bedrohlichen Konsequenz einer verstärkten Sicherheitspolitik, relativiert die AfD andere sicherheitspolitischen Forderungen. Solch einfache Lösungen bieten keine Antwort auf Angriffe mutmaßlich russischer Hackergruppen oder international vernetzte Terrorgruppen, welche auch die USA mit massiver General-Überwachung nicht stoppen kann. Um eine freie emanzipierte Gesellschaft zu sichern, bedarf es weder einer restriktiven Überwachungspolitik, noch Tote an den Außengrenzen der EU. Erst das bekämpfen der Ursachen von Terror und internationaler Konflikte kann längerfristig eine Lösung bieten.

Nicht zuletzt fällt die Partei durch autoritaristische und antidemokratische Einstellungen auf. So betreibt sie eine undifferenzierte Elitenkritik, die sich vor allem gegen eine vermeintliche linke Hegemonie und die Alt-Parteien wendet. Dabei verkennt sie nicht nur, dass sie selbst Teil der politischen Elite, ihre Mitglieder aus dem gutverdienenden gesellschaftlichen Mittelstand stammen und ihre Interessensvertretung nicht dem „kleinen Mann“ gilt, sondern durch und durch neoliberal und leistungsorientiert ist, sondern erhebt zudem einen Alleinanspruch auf die Volksvertretung. Die AfD propagiert ein Gesellschaftssystem mit festen Hierarchien und Ordnungsvorstellungen und eine nationale Überlegenheitsvorstellung. Anhand der allgemeinen politischen Strategie der Partei wird deutlich, es geht ihr nicht um demokratische Grundwerte, sondern um die Destabilisierung eben jener.

Auch die Junge Alternative in NRW spricht sich für einen starken, wehrhaften Staat, autoritäre Strukturen und geschlossene Grenzen aus. Dabei richtet sie sich zuvorderst gegen Flucht und Migration und insbesondere gegen den Islam und seine Anhänger*innen. So fordert sie neben der Einführung von Grenzkontrollen im Westen NRWs (also bspw. zur Niederlande) auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für alle deutschen Männer, um „soldatische Tugenden“ wieder zu stärken. Aber auch die Mutterpartei fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht zum (Wieder-)Aufbau einer nationalen Armee – schließlich solle sich die Bevölkerung mit „ihrer Armee“ identifizieren können. Ebenso sollen Polizei und Justiz ausgebaut werden, psychisch kranke, alkohol- und drogenabhängige Täter*innen nicht behandelt, sondern in Sicherungsverwahrung gebracht und kriminelle Migrant*innen ausgewiesen werden. Nicht zuletzt legt die AfD Wert auf Autorität und Leistungsorientierung. Sie möchte stärker unterscheiden zwischen gut und schlecht, zwischen denen mit und jenen ohne Chancen und damit schließlich auch zwischen arm und reich. Die AfD ist keine Alternative!

Rassismus im blauen Gewand

Fremdenfeindlich und gut vernetzt

Eines der zentralen Themen der AfD ist ein einheitliches Verständnis von Volk, Kultur und Identität. Bereits kurz nach Gründung der Partei wurde auf deren Offenheit nach rechts und nationalistische Prägung aufmerksam gemacht, die zunehmend in den Vordergrund rücken. Dies zeigt sich neben der strukturellen Dominanz des völkisch-nationalistischen Flügels und dem Einfluss der extrem rechten Patriotischen Plattform, der einige führende Politiker*innen der Partei angehören, auch an der Zusammenarbeit mit rechten Bündnissen wie Pegida, Hogesa oder der Identitären Bewegung. Zu letzterer bestehen eindeutige Kontakte bspw. über Roger Beckamp, Mitglied des Landtags aus Köln, der im Oktober 2018 in Halle als Referent bei der Identitäten Bewegung auftrat und Journalist*innen bedrängte. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion NRW und ehemalige Vorsitzende der JA (Junge Alternative), Sven Tritschler, hält regen Kontakt zur Identitären Bewegung. Darüber hinaus fiel er nicht nur durch verbale Entgleisungen bezüglich Geflüchteten auf, die er mal für sexualisierte Gewalt verantwortlich machen wollte, mal wegen ihrer Flucht als feige betitelte, sondern auch durch eine makabre Aktion im Juli 2016, bei der er und weitere Mitglieder der JA in der Kölner Innenstadt vermummt u.a. „Allahu Akbar“ riefen und somit Panik unter den Menschen verbreiten wollten. Ein weiteres Beispiel ist Erik Lehnert, persönlicher Mitarbeiter im Bundestag über die Landesliste NRW. Lehnert war Geschäftsführer des neurechten Instituts für Staatspolitik und steht ebenfalls der Identitären Bewegung nahe.

Sticker der AfD zur Stimmungmache gegen den Migrationspakt

Dabei äußert sich die extrem rechte Prägung immer wieder anhand rassistischer Aussagen (z.B. von Führungspersonen wie Gauland, Höcke oder von Storch), dem Hass auf interkulturellen Austausch und Migration („Multikulti“), dem Hetzen gegen (vermeintliche) Ausländer, einer ausgeprägten Islamfeindlichkeit im Sinne einer verabsolutierten Stereotypisierung des Anderen und schließlich der Hetze gegen Geflüchtete. Die Partei instrumentalisiert gesellschaftliche Probleme, um Hass und Vorurteile weiter zu schüren. Der neue UN-Migrationspakt greift verschiedene Forderungen der AfD auf. Daran zeigt sich der bisherige Einfluss dieser und anderer nationalkonservativer und extrem rechter Parteien auf den gesamteuropäischen Diskurs um das Thema Flucht und Migration. Dennoch stellt sich die AfD gegen den Migrationspakt und damit gegen eine globale Strategie zum Umgang mit Flucht, da sie ein Einbußen nationaler Souveränität befürchtet. Stattdessen nutzt sie die Thematik, um Migration per se zu illegalisieren. Auch die NRW Landtagsfraktion der AfD fordert mit dem zynisch betitelten Programm „Fit4Return“ ähnliches wie bereits der Migrationspakt und legt ihren Schwerpunkt auf die Vorbereitung sogenannter „Remigration“. Gleichzeitig stellt sie Asyl und Zuwanderung eindeutig in Verbindung mit Illegalität.Sie suggeriert mit der Forderung nach Verhinderung von Asylmissbrauch, ein solcher würde massenhaft vorkommen und stellt damit Geflüchtete unter Generalverdacht. Ebenso behauptet die AfD, die Kriminalität steige aufgrund von Zuwanderung und fordert härtere Strafen und schnellere Abschiebungen krimineller (vermeintlicher) Ausländer*innen. Um solche Positionen zu legitimieren, verbreiten Teile der Partei immer wieder Falschmeldungen über Ausländer*innenkriminalität. Dass die Deliktzahlen seit Jahren sinken, sei Teil staatlicher Propaganda. Die AfD bedient sich hier also nicht nur einer kulturrassistischen Argumentation, nach der Personen mit Migrationsgeschichte krimineller seien als „Bio-Deutsche“, sondern greift auch die Verschwörungstheorie einer politischen Elite auf, die die Bevölkerung belüge und schließlich durch „schleichenden Landnahme“ durch Migration ersetzen wolle.

Verschwörungstheorien und “Islamkritik”

Die AfD vertritt somit eine klare Linie bezüglich Migration und Flucht: sie fordert einen starken Nationalstaat, mehr Kontrollen und geschlossene Grenzen. In ihrer Argumentation bedient sie sich dabei dem auch bei anderen extrem rechten Bewegungen zu findenden Narrativ des „Großen Austauschs“. Demnach trage Migration nicht nur langfristig dazu bei, die einheimische Bevölkerung zu verdrängen oder gar einen „Volkstod“ herbeizuführen, sondern dies werde sogar von einer linken Hegemonie gewollt und vorangetrieben. Neben dieser Verschwörungstheorie, eine – mal heimliche, mal offensichtliche – Elite würde Falschmeldungen verbreiten, um Migrant*innen in einem besseren Licht dastehen zu lassen, stützt sich die AfD in ihren Aussagen auf Halb- und gefühlten Wahrheiten und spielt verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus.

In einem Thesenpapier aus dem Jahr 2015 fordert die Partei, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch abzuschaffen. Dies begründet sie mit einer angeblichen „Masseneinwanderung“, die zum einen nicht durch geltendes Recht geregelt werden könne, zum anderen drohe, das Eigene – die imaginierte deutsche Leitkultur – zu zerstören. Stattdessen seien „gewachsene kulturelle und regionale Traditionen“ zu schützen; dazu zählen für die AfD Ehe und Familie (die sie jedoch nur Heterosexuellen zugesteht) und eine Leitkultur, die auf Christentum, Sprache und Identität beruhe und mit dem Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft nicht vereinbar sei. Es gebe demnach eine national einheitliche Kultur, die durch Zuwanderung zerstört würde. Dabei blendet die AfD aus, dass Kultur immer schon ein Produkt verschiedener Strömungen und Einflüsse war und ist, weder statisch, noch an einen geografischen Ort zu binden und seit Jahrhunderten von Migration geprägt. In der Annahme jedoch, Zugehörigkeit ergebe sich durch Herkunft und Abstammung – oder eine national geprägte, homogene Kultur – kann sie ohne weitere Begründung alle Personen als nicht-zugehörig ausweisen, die mit ihrem Verständnis deutscher Leitkultur nicht übereinstimmen. Somit wird der Mensch auf seine konstruierte Herkunft und damit verbundene Stereotype reduziert. Mit der Forderung „mehr (deutsche) Kinder statt Masseneinwanderung“ schließt die AfD schließlich an biologistische und rassistische Argumentationsmuster an.

Auch in ihrem Bundesprogramm von 2016 bedient sich die Partei verschwörungstheoretischen, chauvinistischen, autoritaristischen und rassistischen Positionen. In ihrem Grundsatzprogramm spricht sie bspw. von einem „Europa der Vaterländer“, ein Ausdruck, der eigentlich aus dem extrem rechten Spektrum bekannt ist und sich in bspw. in der Kritik am Migrationspakt oder auch der Forderung der Bochumer Stadtratsfraktion spiegelt, die Stadt solle keine aus Seenot geretteten Geflüchteten aufnehmen.

Wahlwerbung der AfD zur Europawahl

Schließlich bedient sie sich zur Beschreibung der im Sommer 2015 starken, inzwischen kaum mehr spürbaren, Fluchtbewegungen verschiedener populistischer Argumentationen und reißerischer Metaphern wie „Bevölkerungsexplosion“ oder „Flüchtlingswelle“. Sie entmenschlicht damit diejenigen, die nach Europa fliehen, indem sie sie als bedrohliche Masse, statt als Individuen bezeichnet und ruft ein imaginiertes Katastrophenszenario herbei, in welchem die EU und Deutschland im Speziellen durch angeblich unkontrollierte Zuwanderung zerstört würden. Sie behauptet, das Asylrecht würde als „Vehikel der Masseneinwanderung missbraucht“. Bei der Forderung nach Grenzkontrollen im Westen NRWs betitelte sie bspw. Asylsuchende und Migrant*innen als „Eindringlinge“. Auch Christian Blex, Abgeordneter für den Kreis Warendorf, gehört dem rechtsnationalen Flügel an und fiel bereits mehrfach durch Falschmeldungen und rassistische Aussagen auf. So behauptete er bspw. Syrien sei vom Terror befreit, kritisierte Mevlüde Genc (die Mutter einer bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag 1993 in Solingen getöteten Familie) für ihre Deutschkenntnisse und ihr Kopftuch. Im Sommer 2018 brachte er die afrikanische Schweinepest mit „verfehlter Flüchtlingspolitik“ in Verbindung. Im Oktober 2018 gratulierte er Jair Bolsonaro zur Präsidentschaft in Brasilien – Bolsonaro geht in Brasilien gewaltsam gegen Oppositionelle, Homosexuelle und die indigene Bevölkerung vor. Blex‘ persönlicher Referent, Zacharias Schalley, ist zudem Vorsitzender bei der Jungen Alternativen und Gründungsmitglied des extrem rechten, der Identitäten Bewegung nahestehenden Verlags Publication e.V.

Globale Probleme lokal bekämpfen?

Auf europäischer Ebene ist inzwischen eine klare Tendenz abzusehen: zwar befinden sich Abgeordnete der AfD in verschiedenen (rechten) Fraktionen: von der rechtskonservativen EKR, über die populistische EFDD bis hin zur extrem rechten ENF. Ihr (derzeit amtierender) Spitzenkandidat für das Wahljahr 2019 ist Jörg Meuthen. Er ist Teil der extrem rechten Patriotischen Plattform in der AfD und Anhänger der Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“. 2017 ließ er auf Basis dieser Auffassung verlautbaren, Deutschland müsse „zurückerobert“ werden – von wem oder warum wird offen gelassen. Mit dieser kriegerischen Metapher wendet Meuthen sich entschieden gegen kulturellen Austausch und ein tolerantes Miteinander – Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und der europäischen Zusammenarbeit.

In Bezug auf Integration positioniert sich die AfD jedoch ambivalent: So sei Integration laut Grundsatzprogramm eine einseitige Angelegenheit, bei der Migrant*innen sich anzupassen hätten. Dass hierzu eine Kultur der Akzeptanz und verschiedene Hilfestellungen nötig sind, verkennt sie. Stattdessen sollen Migrant*innen, die ihrer „Bringschuld“ nicht nachkommen, sanktioniert oder gar wieder ausgewiesen werden. Gleichzeitig führten Integrationsmaßnahmen zu einer (ungewollten) Bleibeperspektive, die angeblich dazu führe, dass Geflüchtete nicht in ihre Heimat zurückkehren und stattdessen die einheimische Bevölkerung verdrängten. Auch hier findet sich ein nahtloser Anschluss zu den bereits genannten Verschwörungstheorien.

Nicht zuletzt fällt die Partei durch autoritaristische und antidemokratische Einstellungen auf. So betreibt sie eine undifferenzierte Elitenkritik, die sich vor allem gegen eine vermeintliche linke Hegemonie und die Alt-Parteien wendet. Dabei verkennt sie nicht nur, dass sie selbst Teil der politischen Elite, ihre Mitglieder aus dem gutverdienenden gesellschaftlichen Mittelstand stammen und ihre Interessensvertretung nicht dem „kleinen Mann“ gilt, sondern durch und durch neoliberal und leistungsorientiert ist, sondern erhebt zudem einen Alleinanspruch auf die Volksvertretung. Die AfD propagiert ein Gesellschaftssystem mit festen Hierarchien und Ordnungsvorstellungen und eine nationale Überlegenheitsvorstellung. Anhand der allgemeinen politischen Strategie der Partei wird deutlich, es geht ihr nicht um demokratische Grundwerte, sondern um die Destabilisierung eben jener.

Auch die Junge Alternative in NRW spricht sich für einen starken, wehrhaften Staat, autoritäre Strukturen und geschlossene Grenzen aus. Dabei richtet sie sich zuvorderst gegen Flucht und Migration und insbesondere gegen den Islam und seine Anhänger*innen. So fordert sie neben der Einführung von Grenzkontrollen im Westen NRWs (also bspw. zur Niederlande) auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für alle deutschen Männer, um „soldatische Tugenden“ wieder zu stärken. Aber auch die Mutterpartei fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht zum (Wieder-)Aufbau einer nationalen Armee – schließlich solle sich die Bevölkerung mit „ihrer Armee“ identifizieren können. Ebenso sollen Polizei und Justiz ausgebaut werden, psychisch kranke, alkohol- und drogenabhängige Täter*innen nicht behandelt, sondern in Sicherungsverwahrung gebracht und kriminelle Migrant*innen ausgewiesen werden. Nicht zuletzt legt die AfD Wert auf Autorität und Leistungsorientierung. Sie möchte stärker unterscheiden zwischen gut und schlecht, zwischen denen mit und jenen ohne Chancen und damit schließlich auch zwischen arm und reich. Die AfD ist keine Alternative!

Partei des “kleinen Mannes”?

Schon seit ihrer Gründung versucht die AfD den Eindruck hervor zu rufen, eine Partei der sozial Schwachen und „kleinen Leute“ zu sein. So zeigt sie auf ihren Wahlplakaten den vor einer Bäckerei stehenden Guido Reil mit dem Spruch „Vertritt die Interessen der kleinen Leute statt sie zu verraten“. Auf anderen Plakaten wollen sie „den sozialen Staat neu definieren“. Schauen wir uns aber das offizielle Programm der AfD an, fällt auf, dass die Themen Arbeit und Soziales kaum Bestandteile ihrer Politik sind und so gut wie gar nicht auftauchen.

Zwar hat sich die AfD in ihrem Programm mittlerweile für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. Wie dieser Mindestlohn aber aussehen soll, verrät uns das Programm nicht. Konkrete Äußerungen einzelner AfD Politiker*innen zu diesem Thema suchen wir Vergebens. Es ist zu erwarten, dass das Thema Mindestlohn in der Politik der AfD nichts als eine leere Parole bleiben wird.

Die Punkte, die tatsächlich ein konkrete Forderung enthalten, zeigen die AfD allerdings in einem anderen Licht: Die AfD fordert, die „Staatsausgaben“ zu senken und meint damit Sozialleistungen zu kürzen. Auch die vielleicht größte Frage nach einem humanen Rentensystem, welches effektiv vor Altersarmut schützt beantwortet die AfD nicht. Im Gegenteil: sie fordert, das Rentensystem komplett abzuschaffen und durch eine „staatlich erzwungene private Vorsorge“ zu ersetzen. Menschen die mit ihrem Lohn gerade so über die Runden kommen, würden so im Alter noch weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben, wie man in Ländern wie der USA, die ein privates Rentensystem haben, sehen kann. Es befreit lediglich diejenigen davon, Sozialabgaben zu zahlen, welche durch ihr Privatvermögen ohnehin selten in finanzielle Schwierigkeiten geraten werden.

Familie im Dienst des Volkes

Familie im Dienst des Volkes

Eines der Kernthemen der AfD ist Familienpolitik. Das nationalistische, völkische und regressive Weltbild der Partei wird dabei in ihren Positionen und Vorschlägen zu diesem Themenbereich auf vielfache Art und Weise widergespiegelt. Besonders deutlich wird dabei das archaische Geschlechterbild der Partei.

Immer wieder betont die AfD in ihren Schriften, die Familie sei die „Keimzelle der Nation“. Die Wortwahl erinnert nicht umsonst an den Sprachgebrauch des Dritten Reichs, denn gemäß dem Verständnis der Partei können bestimmte Werte und „deutsche Tugenden“ nur innerhalb einer deutschen, funktionalen Familie weitergegeben werden. Geflüchtete oder migrierte Familien werden hingegen als Bedrohung für Deutschland und für den deutschen Volkskörper begriffen. Die AfD entwirft dabei ein dystopisches Untergangsszenario für Europa und hält umso fester an starren Kulturkonzepten fest.

Demografischen Problemen will die Partei mit einer Politik begegnen, die mindestens drei Kinder pro Familie voraussetzt. Dabei ist der AfD bewusst, dass große Familien im heutigen Kapitalismus finanzielle Schwierigkeiten erwarten können. Diese Probleme will die Partei lösen, indem sie nicht nur steuerliche Vorteile für kinderreiche Familien einführen möchte, sondern solche Formen des Zusammenlebens, die nicht in ihr Weltbild passen, indirekt finanziell in Form von steuerliche Belastungen „bestrafen“ will. Dazu gehören Patchworkfamilien, Homosexuelle und Kinderlose.

Der familialistische Fokus der Partei durchzieht viele Teilbereiche der Vorstellung von Politik der AfD. So betrifft das nicht nur die Renten- und Steuerpolitik der Partei, sondern auch Bildungspolitik und sogar grundlegende Regelungen des politischen Systems, wie das Wahlrecht. Wo einst der Grundsatz von „one man – one vote“ als einst fortschrittliche Errungenschaft erkämpft werden musste, setzt der Landesverband Sachsen auf andere Wege.  Er geht so weit, in seinem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2014 das Familienwahlrecht zu fordern:

„Zur Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes im aktiven Wahlrecht und der Generationengerechtigkeit, treten wir für das aktive Wahlrecht der Kinder von Geburt an ein. Das Wahlrecht minderjähriger Kinder soll dabei als Familienwahlrecht wahrgenommen werden, indem die Stimme des Kindes bis zur Vollendung von dessen 16. bzw. 18. Lebensjahr jeweils von den Erziehungsberechtigten abgegeben wird.“

Bildungspolitik und antiquierte Geschlechterbilder

Die AfD lehnt Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter vehement ab. Gender Mainstreaming betrachtet sie als „totalitäres Gesellschaftsexperiment“, das zur „Auflösung der Geschlechter“ führen würde. Die Partei möchte nicht nur das Fach Gender Studies, dessen Theorien und Erkenntnisse sie partout nicht anerkennen möchte, sondern auch alle Gleichstellungsgremien an Universitäten abschaffen. Sie kämpft gegen modernen Sexualkundeunterricht an Schulen, dem sie eine „Früh- und Hypersexualisierung der Kinder“ vorwirft. Sie sieht darin die Gefahr, dass das klassische Familienbild entwertet und die Vielfalt des menschlichen Zusammenlebens beleuchtet werden würde. Der Landesverband NRW geht ein Stück weiter und erwägt in seinem Landesprogramm, Jungen und Mädchen „versuchsweise“ wieder getrennt  unterrichten zu wollen: „Förderung von geschlechtergetrenntem Unterricht sind als Modellprojekte versuchsweise einzuführen und durch Forschung intensiv zu begleiten.“ Dass solche Praktiken unsere Gesellschaft Jahrzehnte zurück katapultieren würde, scheint die Partei nicht zu stören.

Des Weiteren lehnt die Alternative für Deutschland die Geschlechterquote ab, da diese Männer diskriminieren würde. Die Partei sieht sich als Vorkämpferin gegen das sogenannte „Meinungsdiktat“ und die politische Correctness. Vorzeigefrauen wie die homosexuelle Parteisprecherin Alice Weidel täuschen nicht über das antiquierte Geschlechterbild der AfD hinweg. Frauen und Männern werden dabei in tradierter Manier bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Bezeichnend ist hierfür die Rede von Björn Höcke in Erfurt, in der er deutlich werden lässt, welches Bild von Männlichkeit er vertritt und wie diese mit einer vermeintlichen Bedrohung durch Geflüchtete zusammenhängt:

„Liebe Freunde, wisst ihr, was das große Problem ist? Das große Problem ist, dass Deutschland, dass Europa, ihre Männlichkeit verloren haben. Ich sage: Wir müssen unsere Männlichkeit wieder entdecken, denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wieder entdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!“

Homosexualität: Zwischen Ablehnung und Vereinnahmung  

Das Thema Homosexualität ist unter den jeweiligen Landesverbänden in der AfD stark umstritten. Nicht umsonst findet man dazu nichts im Grundsatzprogramm. Während Landesverbände wie Baten-Württemberg den Wert eines Menschen „unabhängig von seinen privaten Interessen, seiner sexuellen Orientierung und seiner allgemeinen Lebensgestaltung“ betrachten, setzen Verbände wie Thüringen auf Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kind. Doch auch wenn einige Verbände scheinbar eine tolerante Haltung pflegen, betonen sie im nächsten Satz, dass Homosexualität nicht „überhöht“ werden dürfte und man die Finanzierung von homosexuellen Interessenverbänden, genannt „Homo-Lobby“, einstellen müsste. Nur aus der heterosexuellen Ehe würden Kinder hervorgehen, die für den Fortbestand der Nation und des deutschen Volkes von größter Bedeutung seien. Der Ausdruck „Keimzelle der Nation“ bekommt in diesem Zusammenhang eine völkisch-nationale Färbung, die das Wachstum der Bevölkerung im Vordergrund hat. Die Auseinandersetzung mit der Veränderung der Bevölkerungsstruktur und den damit einhergehenden neuen, sozialen Problemen nutzt die AfD, um völkisch orientierte, qualitative bevölkerungspolitische Maßnahmen zu fordern. Der AfD geht es nicht primär darum, einen Ausgleich der Anzahl an Staatsbürger*innen zu schaffen, sondern das sogenannte deutsche Volk vor einer vermeintlichen Selbstaufgabe zu bewahren. Gleichzeitig schafft es die AfD jedoch, Frauen und homosexuelle für sich zu vereinnahmen, indem sie eine Bedrohung durch Geflüchtete und Migranten für diese konstruiert und sich ihren Schutz auf die Fahne schreibt.

Fortschritt statt Altherrenpolitik

Die Positionen der AfD zu den Themen Geschlechter- und Familienpolitik können nicht nur als konservativ oder altmodisch, sondern als rückschrittlich und völkisch bezeichnet werden. Auch wenn es innerhalb der AfD unterschiedliche Lager geben mag, die teils eher wirtschaftsliberal bzw. völkisch-nationalistisch ausgerichtet sein wollen, verfolgen sie alle eine Politik, die kein Interesse daran hat, die unterschiedliche Stellung der Geschlechter in der Gesellschaft anzugleichen und die diversen Familienkonzepte zu fördern, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Ginge es nach der AfD, würden Frauen meist zu Hause die Kinder erziehen und Männer sich um „weltliche Angelegenheiten“ kümmern, was keineswegs dem Bild eines fortschrittlich denkenden Menschen entsprechen kann.