Emanzipierte Heimchen? Der Antifeminismus der AfD

Die AfD macht aus ihrem rückwärtsgewandten Verhältnis zu Geschlecht und Sexualität keinen Hehl. Auch den 8. März – den internationalen feministischen Kampftag – nutzte sie gezielt, um ihre antifeministische Agenda zu verbreiten.

Zum feministischen Kampftag hatten alle Fraktionen des Landtags die Möglichkeit, Stellung zum Stand der Emanzipation zu beziehen. Iris Dworeck-Danielowski (Köln, Listenplatz 15) nutzte die Gelegenheit, um in bekannter Manier gegen “Genderwahnsinn” mobil zu machen und die traditionelle Rolle der Frau und Mutter aufzuwerten. So weit, so voraussehbar. Pikant war bloß, dass in dem Video, das auf der Instagram-Seite des Landtags NRW veröffentlicht wurde (das Video wurde inzwischen gelöscht) auch die identitäre Aktivistin Reinhild Boßdorf auftauchte, um das Projekt “Lukreta” vorzustellen. Lukreta ist das Nachfolgeprojekt der Kampagne “120 Dezibel” der Frauenriege der Identitären Bewegung. Die Kampagne entstand 2018 im Zuge der #metoo-Debatte und nutzte die mediale Aufmerksamkeit auf sexualisierte Gewalt, um das Thema rassistisch umzudeuten und für das eigene, völkische Weltbild zu vereinnahmen. Die durchaus ambivalente Kernaussage der Kampagne – und auch des Nachfolgeprojekts „Lukreta“ – ist, dass Frauen sich gefälligst nicht so anzustellen haben, wenn sie von Männern ungefragt verbal oder körperlich sexuell belästigt werden und dass “echte” sexualisierte Gewalt lediglich von rassifizierten (insbesondere arabischen und Schwarzen) Männern ausginge.
Dieses Vorgehen wird auch als Ethnisierung von Sexismus bezeichnet. Dabei wird der Sexismus im “Eigenen” heruntergespielt oder gänzlich ausgeblendet und stattdessen auf “die Anderen” projiziert. So wird ein Feindbild genährt, das seine Wurzeln bereits in kolonial-rassistischen Diskursen findet und sich in der modernen Erzählung vom vermeintlich gefährlichen Migranten weiterspinnt.

Besonders perfide ist dabei, dass das identitäre Projekt, das von der AfD hofiert wird, sich als Frauenprojekt, welches “in erster Linie von jungen Frauen, größtenteils mit Migrationshintergrund” getragen würde, darstellt. Weiße deutsche Rechtsextremistinnen inszenieren sich hier als Betroffene eines angeblich “importierten Sexismus”, verbreiten Fake News über vermeintliche Übergriffe und begeben sich in eine Opferposition, aus der sie sich mal als angeblich emanzipierte Frauen selbst retten wollen oder aber den weißen Mann als großen Retter heraufbeschwören, der lediglich seine Männlichkeit wiederentdecken müsse, um Frau und Nation zu beschützen.
Hier verbinden sich traditionelle Rollenbilder mit einem völkischen Familienbild und rassistisch aufgeladenen Demografiediskursen. Neben Migrant*innen und anderen rassifizierten Menschen dienen insbesondere Feminist*innen als Feindbild. Schließlich sei es der moderne Feminismus, der die traditionellen Geschlechterrollen, die Familie und damit auch das Überleben der Nation angreife. Es seien Feminist*innen, die den angeblichen „Großen Austausch“ vorantrieben und damit zum Aussterben der “weißen Rasse” beitrügen.
Dieses Zusammendenken von Familienpolitik und rassistischer Bevölkerungspolitik hat eine weit zurückreichende Tradition bis ins Kaiserreich und die dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte. Die AfD hat jedoch kein Problem, sich in diese Geschichte einzureihen: Immer wieder beteiligt sie sich an Aktionen völkischer Aktivist*innen oder bietet diesen, wie am 8. März, sogar eine eigene Bühne. Die AfD scheut sich nicht, die Familie als “Keimzelle der Nation” zu bezeichnen, Frauen auf ihren Platz – nämlich Heim und Herd – zu verweisen und Frauenrechte sowohl in der Familienpolitik, der Gesundheitsvorsorge sowie auf dem Arbeitsmarkt zu beschneiden.

Unter dem Deckmantel eines sinnentleerten und neoliberal geprägten Freiheitsbegriffs versteckt sich ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild, das den aktuellen Status Quo gegen progressive Veränderungen verteidigen und emanzipatorische Errungenschaften rückgängig machen möchte. Dies betrifft nicht nur Frauen, sondern auch trans Personen, homosexuelle Paare und alle Menschen, die von den willkürlich gesetzten, konservativen Normen der Gesellschaft abweichen.

Auf den ersten Blick erscheint es da widersprüchlich, dass die AfD einige prominente Frontfrauen vorweisen kann. Diese spielen häufig eine Doppelrolle: Sie sind feminin, verheiratet, Kümmerin, Mutter, aber zugleich auch Unternehmerin, erfolgreich, durchsetzungsfähig, modern. Auch wenn letzteres mit dem traditionellen Weiblichkeitsbild bricht, gehört das ganze zur Strategie. Normabweichungen werden dabei bewusst nicht thematisiert (z.B. Alice Weidels Homosexualität). Was nicht ins gängige Bild passt, wird zur Privatsache erklärt. Das wiederum passt ziemlich gut zur Politik der AfD:
Diskriminierung wird hier nicht als ein strukturelles und gesamtgesellschaftliches Problem gesehen, sondern zum individuellen Fall, der keiner politischen Reaktion oder Maßregelung bedürfe. Weder möchte die AfD besonderen Schutz vor Diskriminierung etablieren, noch dass diese in der Gesellschaft thematisiert wird. Frei nach dem Motto: Jede*r ist des eigenen Glückes Schmied; und wenn einem die anderen Schmiede nicht wohlgesonnen sind, dann muss man sich wohl einfach etwas mehr anstrengen – so wie die erfolgreichen Frauen in der AfD.

Dass dies jedoch ein utopischer Standard ist, beweist die AfD mit ihrer Listenaufstellung zur diesjährigen Landtagswahl gleich selbst: Von den 23 Listenplätzen haben es gerade einmal zwei(!) Frauen auf die Liste geschafft. Darunter Enxhi Seli-Zacharias (Listenplatz 7), die in Gelsenkirchen die Corona-Proteste mit organisierte. Die Proteste haben sich in den vergangenen zwei Jahren auch als beliebtes Betätigungsfeld für Frauen herausgezeichnet, weil sich dort für vermeintliche Kinderrechte stark gemacht werden kann. So wird das traditionelle Frauenbild der besorgten Mutter bespielt und gleichzeitig ein Raum geschaffen, in dem sich Frauen politisch einbringen können. Statt jedoch auf die miesen Arbeitsbedingungen im Erziehungs- und Gesundheitssektor, die schlechte Vereinbarung von Erziehung und Arbeit und die fehlende Anerkennung von Sorgearbeit aufmerksam zu machen oder ganz konkret Investitionen in Schulen (bspw. in Form von Luftfiltern) zu fordern, wurden hier lediglich Verschwörungserzähungen verbreitet und in populistischer Manier gegen “die da oben” gehetzt.
Auf Listenplatz 15 befindet sich die bereits vorgestellte Iris Dworeck-Danielowski, die das Thema Familie und Gleichstellung für die rassistische und rückwärtsgewandte Politik der AfD in den Vordergrund rückt und damit ebenfalls vorrangig in dem Themenfeld bleibt, das in der extremen Rechten vordergründig von Frauen bespielt wird.

Wie in so vielen Bereichen ist auch mit Blick auf die Geschlechterverhältnisse klar: Die AfD setzt sich nicht für die Freiheit der Menschen ein, sondern lediglich für die vermeintlich „freie Wahl“ innerhalb eines eng abgesteckten Rahmens. Frauen dürfen zwar Karriere machen, aber besser wäre es, sie blieben zu Hause und kümmerten sich um die zum Volkserhalt notwendigen Kinder. Frauen dürfen schon lesbische Beziehungen führen, aber gesellschaftliche, öffentliche Normalität sollte das dann doch nicht werden. Frauen können sich schon an vorderster Front einbringen, aber sie sollten schauen, dass sie dabei klassisch “weibliche Themen” wie Familie und Schutz vor Gewalt in den Vordergrund stellen.

Wer sich jedoch tatsächliche Freiheit unabhängig von Geschlecht und Sexualität wünscht, muss die Frage stellen, wo die Wurzeln gesellschaftlicher Probleme liegen. Die AfD aber beschränkt sich in ihrer Problemdefinition auf ein sehr einfaches, populistisches Narrativ: Die etablierten Parteien, die Medien, die Migrant*innen und die Linken seien Schuld an jeder Misere. Diskriminierung und die mannigfaltigen sozialen Krisen seien keine historisch gewachsenen, strukturellen, sondern individuelle Probleme. Die AfD beweist auch in der Geschlechterpolitik, dass sie keine zukunftsorientierten Lösungen zu bieten hat, sondern nur Spaltung und Hass. Dabei scheut sie sich schon lange nicht mehr davor, auch offen mit anderen extrem rechten Akteuren zusammen zu arbeiten.

Die AfD ist keine Alternative!