Wahlanalyse zur NRW Landtagswahl 2022 in Bochum

Am 15.05.2022 wurde in NRW ein neuer Landtag gewählt.  Die Wähler*innen hatten dabei die Möglichkeit, mit der Erststimme eine*n Direktkandidat*in in das Landesparlament zu wählen und mit der Zweitstimme eine Partei wählen und somit deren prozentuale Beteiligung am Parlament mit zu bestimmen. Mit einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 55,5% konnten sich CDU und Grüne bei der Landtagswahl durchsetzen, die AfD dagegen verlor an Stimmen.

Die AfD in Bochum

Die AfD in Bochum fiel bei den diesjährigen Wahlen bereits im Vorfeld durch eine nur sehr mäßige Präsenz auf. Die wenigen Wahlplakate, die überhaupt aufgehangen wurden, wurden entweder bereits nach wenigen Stunden von engagierten Antifaschist*innen entfernt oder enthielten keinerlei inhaltliche Positionierung der Partei. Auch Wahlkampfstände wurden nur sehr unregelmäßig durchgeführt und wurden kritisch von Antifaschist*innen begleitet.

 

Im Wahlkreis Bochum I (Grumme, Altenbochum, Innenstadt-Südost und Riemke) bekam die AfD 6,3% der Zweitstimmen, was im Vergleich zur vorherigen Wahl ein Minus von 3,6 Prozentpunkten ausmacht. Im Wahlkreis Bochum II (Bochum-Mitte, Eppendorf/Munscheid, Bochum-Süd, Bochum-Südwest) bekam die AfD sogar nur 3,8% der Stimmen und verlor fast 3 Prozentpunkte. Für den Wahlkreis III (Innenstadt-Nord, Goldhamme/Stahlhausen, Hamme/Hordel, Hofstede, Wattenscheid und Herne-Eickel) trat Christian Loose erneut zur Wahl und bekam rund 6% der Erststimmen, damit zieht er erneut in den Landtag ein. Insgesamt verlor die AfD aber auch hier 3,8 Prozentpunkte bei den Zweitstimmen. Wenn man einen Blick auf die gesamte Stadt Bochum wirft erhält die AfD insgesamt 5,16% der Erststimmen und 5,25% der Zweitstimmen (2017: 8,69%).

Bei Betrachtung der einzelnen Bochumer Stadtteile, fällt deutlich auf, dass die AfD besonders in den Außenbezirken Stimmen generieren kann und in der Mitte und im Süden Bochums deutlich schlechtere Ergebnisse erzielt.

So kann die AfD nur in Werne und Wattenscheid West/Leithe Ergebnisse von über 9% erzielen (Zweitstimmen: Werne = 9,67%, Wattenscheid-West/Leithe = 9,11%) und hat dort mit Abstand von ca. einem Prozentpunkt die höchsten Stimmenanteile im Bochumer Stadtgebiet. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl musste die AfD allerdings auch in Wattenscheid West/Leithe (2017: 13,69%) und Werne (2017: 12,25%) erheblich Stimmen einbüßen.

Nichtsdestotrotz sollten wir bei Zustimmungswerten von beinahe 10% für eine faschistische Partei nicht feiern, sondern noch eine ganze Menge Arbeit in unserer Stadt leisten. Und das besonders in den äußeren Bezirken, denn neben den „führenden“ Kommunalwahlbezirken Werne und Wattenscheid-West, haben die dort lebenden Menschen für Bochumer Verhältnisse überdurchschnittlich oft ihr Kreuz bei der AfD gemacht.

Die „Flop 10“ der Bochumer Kommunalwahlbezirke mit den höchsten AfD Ergebnissen haben wir in einer Grafik zusammengestellt:

Dagegen befinden sich die 10 Kommunalwahlbezirke, in denen die AfD bei der Landtagswahl kaum eine Rolle spielte, eher im Süden oder der Mitte Bochums:
Die gesammelten AfD Ergebnisse in den einzelnen Kommunalwahlbezirken haben wir außerdem in einer Karte zusammengefasst, die nochmal deutlich macht, wie sich die Stimmenverhältnisse auf dem Bochumer Stadtgebiet verteilen:

Streitigkeiten, Austritte und fehlende Perspektiven

Interne Quereleien, nicht zuletzt auch aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Urkaine, und der Umstand, dass die CDU bundesweit nun wieder eine starke, konservative Oppositionskraft darstellt, könnten zum Stimmverlust der AfD beigetragen haben. Insbesondere die Fraktion in NRW ist schon länger tief zerstritten. In Bochum trat nur einen Tag nach der Wahl die komplette Ratsfraktion aus der Partei aus. Die Ratsmitglieder kritisieren die Normalisierung rechter Einstellungen und Radikalisierung innerhalb der Partei.

Antifaschist*innen weisen bereits seit der Parteigründung auf die fehlende Abgrenzung nach rechts außen und die immer stärkere und offenere Zusammenarbeit mit der extremen Rechten hin. In den vergangenen Jahren haben aus denselben Gründen immer wieder Mitglieder der Partei den Rücken gekehrt. Ähnlich wie bei der Linkspartei gilt: Eine zerstrittene Partei wird nicht gewählt. Und so ist es kein Wunder, dass die AfD auch bei den diesjährigen Landtagswahlen herbe Verluste einstecken muss. Insbesondere Protestwähler*innen haben dieses Jahr lieber gar nicht statt die AfD gewählt. Kontinuierliche antifaschsitsiche Recherche, Kritik und Debatten haben die AfD bereits früh als protofaschistisch und als Teil der extremen Rechten entlarvt. Diese langjährige Arbeit trägt nun endlich Früchte!

Dazu kommt, dass die AfD seit ihrer Gründung kein zukunftsfähiges Programm auf die Beine stellen konnte. So liest man zu jeder Wahl dieselben hohlen Phrasen und Parolen. Gewettert wird vor allem gegen die etablierten Parteien, gegen Zuwanderung und linke Feindbilder (Feminist*innen, Klimaaktivist*innen, Linksradikale). Auch die z.T. widersprüchliche Positionierung der Partei in Bezug auf die Coronamaßnahmen in den vergangenen zwei Jahren konnte ihr keinen Stimmenzuwachs liefern. Zwar ist davon auszugehen, dass klassische Wähler*innen anderer rechter Parteien (NPD, Pro NRW u.a. traten dieses Jahr gar nicht erst an, die Partei „dieBasis“ bekam nicht einmal 1%  der Stimmen) ihre Heimat in der AfD gefunden haben. Dies konnte jedoch nicht über die fehlenden Perspektiven und internen Streitereien der Partei hinweghelfen.

Konservative Neuaufstellung

Gewinner*innen der Landtagswahl sind CDU und Grüne. Die CDU kommt NRW-weit auf 35,7% und hat damit sogar fast 3 Prozentpunkte im Vergleich zu 2017 vorgelegt. Die FDP, die bisher mit in der Landesregierung saß, fiel um 6,7 Prozentpunkte auf nur noch 5,9% der Zweitstimmen ab. Während hier eine klare Absage an die neoliberale Agenda erteilt wurde, ist es dennoch erstaunlich, dass die CDU sogar Stimmen für sich gewinnen konnte. So hatte die schwarz-gelbe Landesregierung erst Anfang des Jahres ein umstrittenes neues Versammlungsgesetz beschlossen, das die Grundrechte der Bürger*innen massiv einschränkt und gegen das sich in den vergangenen Jahren breite Protestbündnisse gebildet hatten. Daneben war die CDU während der Coronapandemie in Korruptionsskandale verwickelt – auch in NRW bereicherten sich Mitglieder der Partei an den millionenschweren Maskendeals.

Nicht zuletzt erinnern wir uns alle sicher an den Auftritt des damaligen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerkandidaten Armin Laschet, der bei einem Besuch im von der Flutkatastrophe im Juli 2021 völlig zerstörten Ahrtal statt den betroffenen Menschen beizustehen und Respekt zu zollen im Hintergrund herzlich lachte. Das Ausmaß der Katastrophe hätte sogar verhindert werden können, hätten Laschet und seine Kolleg*innen die Warnungen des Katastropenschutzes ernst genommen und entsprechend gehandelt. Noch heute sind Teile der Region nicht nutz-, geschweige denn bewohnbar. Rettungshilfen fließen nur zäh und die Flutsaison steht bereits wieder vor der Tür – ohne dass ein Plan zur Katatsrophenbewältigung ausgearbeitet wurde.

Die Grünen haben mit 18,2% der Zweitstimmen fast 12 Prozentpunkte dazugewinnen können. Insbesondere junge Menschen und Erstwähler*innen gaben ihr ihre Stimmen. Die Grünen sind nun in der Position zu entscheiden: Rein theoretisch würde es auch für eine Ampelkoalition wie auf Bundesebene reichen. Diese müsste aufgrund der starken Verluste der FDP jedoch erstmal vor den Wähler*innen legitimiert werden. Wahrscheinlicher ist eine Koalition aus Grünen und CDU. In Mülheim a.d.R. gab es bereits in den 90er Jahren ein solches Bündnis, in Köln ist die schwarz-grüne Koalition derzeit an der Macht und auch auf Landesebene wäre dies kein Novum, so werden Hessen und Badem-Württemberg bereits länger durch eine schwarz-grüne Koalition regiert.

Dass dies nicht im Interesse freiheitsliebender Antifaschist*innen sein kann, sollte klar sein. Insbesondere mit der CDU als stärksten Kraft ist es mehr als unwahrscheinlich, dass progressive Veränderungen auf Landeseben angestrebt werden.

Noch viel vor uns…

In 2017 erhielt die AfD noch in 13 der 33 Bochumer Kommunalwahlbezirke Zustimmungswerte über 10%, in 2022 konnte sie in keinem einzigen Kommunalwahlbezirk die 10% knacken. Ein Erfolg der sich auch auf die antifaschistische Arbeit, die deutschlandweit und auch in Bochum gegen die AfD geleistet wird, zurückzuführen lässt. In 2017 konnte die Fassade der bürgerlichen Protestpartei noch teilweise aufrechterhalten werden, aber in 2022 ist ganz klar, wer die AfD wählt, wählt Nazis und dies schlägt sich in den Ergebnissen nieder.

Für Bochum lässt sich seit 2017 ein klarer Abwärtstrend, mit einem kleinen Ausreißer zur Bundestagswahl 2021, erkennen:

Auch wenn noch immer viel gegen die AfD zu tun ist, leben wir mit Bochum in einer Stadt, in der das Klima ganz klar Anti-AfD ist. Seien es nun Kampagnen wie Rathaus/Landtag nazifrei, zahlreiche Aktionen diverser Gruppen und Organisationen oder kurze die Lebensdauer von AfD Wahlplakaten auf dem Stadtgebiet – Bochum zeigt auf diverse Weisen, dass es keinen Bock auf AfD Nazibanden in den Parlamenten hat und das feiern wir!

Ein besonderer Dank geht an alle antifaschistischen Wahlkämpfer*innen, die das Bochumer Stadtgebiet von AfD Propaganda sauber gehalten haben und eigene Inhalte auf die Straße gebracht haben! Ihr seid großartig, macht weiter so!

Doch wir sollten uns nicht auf unseren Erfolgen ausruhen und weiterhin die AfD und ihre Wurzeln zu bekämpfen! Es ist unsere Pflicht als Antifaschist*innen uns klar gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit und gegen ihre Anhänger zu positionieren.

Gegen jeden Faschismus!