Auch in Bochum herrscht „Flügelkampf“

Beim Sonderparteitag der NRW AfD kam es letztes Wochenende zum Rücktritt eines Großteil des Vorstandes. Die Folge: Mit dem verbliebenen Vorstand wird die AfD in NRW jetzt ausschließlich von „Flügel“ Sympathisanten geführt.

Der „Flügel“ ist eine völkisch-nationalistische Gruppierung in der AfD, die im März 2015 mit Veröffentlichung der sogenannten „Erfurter Resolution“ gegründet wurde. Sie wandte sich damals gegen den damaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke und die Distanzierung gegenüber Pegida. Heute zählen sich 40 % der AfD Mitglieder zum „Flügel“ und unterstützen die rechtsextreme Ausrichtung, der vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuften Gruppierung. „Flügel“ Führungsfigur Björn Höcke fiel schon etliche Male durch rechte Äußerungen und Verhaltensweisen auf und unterhält beste Kontakte zu führenden Köpfen der rechtsextremen Szene, unter anderem zu Götz Kubitschek.

Beim Sonderparteitag der NRW AfD, einberufen auf Drängen von Helmut Seifen aufgrund der „Unterwanderung“ von rechtsextremen „Flügel“ Mitgliedern am 06.07.19 in Warburg, trug der mit 5.300 Mitgliedern größte Landesverband einen Machtkampf zwischen „Flügel“ und sogenannter „gemäßigter Mitte“ aus.

Der zweite Vorsitzende Thomas Röckemann, selbst dem „Flügel“ zugewandt, kritisierte, dass das Treffen gleichzeitig mit dem sogenannten Kyffhäuser-Treffen, dem jährlichen Vernetzungstreffen des „Flügels“ stattfindet. Unterstützung erhält er von „Flügel“-Chef Björn Höcke: er ruft die „Flügel“ Sympathisanten aus NRW auf, den Sonderparteitag anstatt das Kyffhäuser Treffen zu besuchen und Röckemann und die anderen „Flügel“ Mitglieder im Vorstand zu unterstützen.

Co-Vorsitzender Helmut Seifen, der bei einer AfD Veranstaltung im Juni einen Vergleich zwischen Björn Höcke und Joseph Goebbels zog und Höcke offen kritisierte, wirft dem „Flügel“ Unterwanderung und Spaltung des Vorstandes vor.

Er schlägt den Rücktritt des gesamten Vorstandes vor, dem kamen mit ihm 9 der 12 Vorstandsmitglieder nach. Thomas Röckemann verweigerte allerdings mit zwei weitere Mitgliedern Rücktritt, denn er habe „die Eier“, das was er „angefangen habe, auch durchzuziehen“. Daraufhin kam zur Abstimmung über die Abwahl, die jedoch an der notwendigen 2/3 Mehrheit scheiterte. Nach dem Rücktritt der 9 Mitglieder, die eher als „gemäßigt“ gelten, besteht der derzeitige NRW Vorstand nun nur aus „Flügel“-Freunden:

Thomas Röckemann, Ex-Polizist und Rechtsanwalt aus Minden, verzögerte im NRW Vorstand zahlreiche Maßnahmen zu parteischädigenden Verhalten und trug keines der 11 Parteiordnungsverfahren mit. Zusätzlich hatte bereits früher Kontakte mit der rechtsextremen Szene. 2013 verteidigte er NPD Mitglied Marco Franke, der im Jahr 2010 an einem Neonazi Überfall auf den „Hamburger Hof“ in Minden beteiligt war.

Jürgen Spenrath wurde bisher als relativ gemäßigt bezeichnet und zeigte – zumindest öffentlich – keine Verbindung zum „Flügel“. Da er bei den Vorkommnissen beim Parteitag klar die Verhaltensweisen des „Flügels“ unterstützte, kann ihm zumindest eine Sympathie für die rechtsextreme und nationale Ausrichtung des Flügels nachgesagt werden.

Dr. Christian Blex ist zurzeit stellvertretender Sprecher der AfD NRW und klar dem „Flügel“ zuzuordnen. Er ist schon öfters mit diskriminierenden Kommentaren aufgefallen. So beleidigte er beispielsweise Mevlüde Genc, die fast ihre ganze Familie durch einen rechtsextremen Brandanschlag verloren hatte und bezeichnete die Gegendemonstrant*innen, welche sich gegen die Nazis in Chemnitz stellten, als „deutsches Schlachtvieh“.

Blex unterhält außerdem Kontakte zur AfD in Bochum. Im März 2015 besuchte er den Bochumer Stammtisch und hielt einen Vortrag zum Thema „Volksinitiative der AfD-NRW Windkraft auf Abstand – Ja zu 10H“.

Die AfD Bochum allerdings zeigte weder auf ihrer Homepage noch auf den privaten Social Media Seiten ihrer Mitglieder die geringste Reaktion auf die Vorkommnisse auf dem Sonderparteitag. Eine Distanzierung zum rechten „Flügel“ erfolgt ebenfalls nicht. Aber wie ist die AfD Bochum einzuordnen?

Das Einladen von Christian Blex zu einer Stammtischveranstaltung zeigt zumindest, dass sich nicht vor dem Kontakt oder der gegenseitigen Unterstützung mit „Flügel“ Mitgliedern gescheut wird und Kontakte zu Mitgliedern des noch bestehenden Landesvorstandes vorhanden sind.

Einzelne Parteimitglieder der AfD Bochum fachten den öffentlichen Machtkampf innerhalb der NRW AfD weiter an. So bezeichnete Wolfgang Demolsky die Landesvorstandsmitglieder Röckemann und Blex als „geistige Krüppel“ und „Blender“ und warf ihnen Manipulation vor. Auch Christian Loose (MdL) äußerte sich kritisch gegenüber dem „Flügel“. Eine klare Distanzierung von dem völkischen und nationalen Gedankengut des „Flügels“ bleibt allerdings auch hier aus.

Andere Mitglieder der Bochumer AfD zeigen öffentlich völkisches Gedankengut und teilen die Werte und Meinungen des „Flügels“. So postet Markus Schröder (AfD Bochum) mehrfach rechte und ausländerfeindliche Inhalte auf Facebook. Auch vor Geschichtsrevisionismus scheut Schröder nicht zurück und fordert die Grenzen von vor 1945 und die des Deutschen Reiches zurück. Auch Markus Scheer teilt auf seiner Facebook Seite regelmäßig die Forderungen und Posts von „Flügel“-Mitgliedern.

Dieses kontroverse Verhalten innerhalb der AfD Bochum spricht dafür, dass die Kämpfe die im Landesverband und Landesvorstand ausgetragen werden, auch Einfluss auf den Bochumer Kreisverband haben. Die unterschiedlichen Meinungen und Veröffentlichungen zu „Flügel“-nahen Themen und den „Flügel“ Mitgliedern weist nicht auf Einigkeit in der Bochumer AfD hin, ebenso wie das Ausbleiben einer gemeinsamen Erklärung zum Landesvorstand.

In der Bochumer AfD scheinen sich sowohl „Flügler“ als auch nicht „Flügler“ zuhause zu fühlen. Dies führt zu keiner gemeinsamen und stringenten Richtung und vermutlich zu Zerstrittenheit innerhalb der Partei. Eine Erklärung gegen den „Flügel“ bleibt aus.

Bei der Zusammensetzung des jetzigen Vorstands in NRW und den Entwicklungen der AfD insgesamt wird klar: Rechte Kräfte dominieren die AfD und das kann auch die AfD Bochum nicht leugnen. Die, die auch jetzt der AfD nicht den Rücken kehren, erklären sich mit diesen dominierenden Werten und einem völkischen, nationalen und rechtsradikalen Weltbild einverstanden!

Mittlerweile hat der AfD Bundesvorstand dem NRW Landesverband ein Ultimatum gesetzt: Bis 6. Oktober muss die Neuwahl des 12-köpfigen Vorstandes durchgeführt sein, sonst werden die drei verbliebenen Mitglieder ihres Amtes enthoben.

AfD Chefin Weidel allerdings solidarisiert sich scheinbar mit Höcke und beschließt einen Waffenstillstand mit ihm und dem „Flügel“. Götz Kubitschek, Vordenker der Neuen Rechten und enger Freund von Björn Höcke, führte die Verhandlungen zu diesem Waffenstillstand, der die Partei wieder auf Kurs bringen soll. Da dieser auch schon bei der „Erfurter Resolution“ zur Gründung des „Flügels“ mitgeschrieben haben soll, lässt sich erahnen, in welche Richtung diese Vereinbarung ging und wem diese in die Hände spielt.

All diese Entwicklungen machen für uns immer deutlicher, was die AfD ist und dass sie auf keinen Fall eine wählbare Alternative ist. Sie ist ein Zusammenschluss von Rechtsextremist*innen, Geschichtsrevisionist*innen und nationalen völkischen Kräften, der immer mehr von der angeblichen Bürgernähe verlieren. Die AfD hier in Bochum grenzt sich in keinster Weise von dieser Entwicklung ab und trägt diese offensichtlich mit. Sie ist genauso Teil des immer mehr fortschreitenden Rechtsrucks wie Höcke , Weidel und Co. und gehört bekämpft und als das bezeichnet was sie ist: eine rechtsextreme Partei.