Sebastian Marquardt – vom Liberalismus zum nationalen Funktionär und dem Versuch, wieder Platz in der bürgerlichen Gesellschaft zu finden

Sebastian Marquardt

Sebastian Marquardts politisches Engagement begann als Student an der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Er war zunächst in der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) aktiv. Doch er bemerkte schnell, dass neoliberale Politik an der damals noch links geprägten RUB nicht mehrheitsfähig war. So gründete er mit anderen Student*innen die Liste der Naturwissenschaftler und Ingenieure (NAWI). Die NAWI versuchte noch vor dem Entstehen der Alternative für Deutschland mit Politikverachtung als Programm Stimmen zu fangen. Die Wahlbeteiligung an Universitäten ist häufig sehr niedrig. Viele Student*innen denken, dass ASten Unmengen von Geld für linksradikale Projekte ausgeben und in die eigene Tasche wirtschaften würden. Mit dem Slogan „Pragmatik statt Politik“ wollte die NAWI eine Politik-verachtende Stimmung nutzen und gewann damit Wahl um Wahl – und tut dies bis heute.

Mithilfe von anderen hochschulpolitischen Listen (ähnlich wie Parteien) schaffte es die NAWI an die Macht. Sebastian Marquardt wurde stellvertretender AStA-Vorsitzender. Außerdem wählten ihn die Student*innen (bei einer noch deutlich niedrigeren Wahlbeteiligung als beim Studierendenparlament) in den Senat der Ruhr-Uni. Dem höchsten parlamentarischen Gremium der Universität.

Der Weg zur AfD

Wie einige andere Neoliberale kam Marquardt durch die Euro-Rettungspolitik in Kontakt mit der AfD. Die national-liberalen Thesen Bernd Luckes zogen ihn an. Gemeinsam mit dem ersten AStA-Vorsitzenden der NAWI – Dirk Loose – machte er Wahlkampf für die AfD. Anders als Loose trat er dann auch in die AfD ein. Dirk Loose wurde später Sprecher des Studierendenparlaments.
Viele von Marquardts Weggefährt*innen an der Ruhr-Uni konnten seinen Schritt zur AfD nicht nachvollziehen. Denn nur selten zeigte Marquardt offen seine menschenfeindlichen Ansichten. Nur anti-linke Äußerungen waren allgegenwärtig. So bezeichnete er mehrmals das studentische Semesterticket für Bus und Bahn als reinen Stalinismus. Seine Äußerungen bezogen sich weniger auf rassistische oder nationalistische Positionen, sondern waren vielmehr sozialchauvinistische und neoliberale Aussagen.

Vom studentischen Aktivisten zum AfD-Funktionär

Zur Kommunalwahl 2014 in Bochum stand Sebastian Marquardt gleich auf zwei Listen. Einmal zum Rat der Stadt Bochum und er trat für die Bezirksvertretung Bochum-Süd an. In beide Gremien wurde er schließlich gewählt. Er war nicht so ein nationaler Lautsprecher wie Christian Loose (nicht verwandt mit Dirk), sondern eher der Stratege. So wurde er auch zum Fraktionsgeschäftsführer der AfD. Damit war er der einzige Festangestellte AfD-Funktionär, der von der Stadt Bochum bezahlt werden musste. Als Fraktionsgeschäftsführer steuerte er maßgeblich die Arbeit der AfD im Rat. Er zeichnete damit auch verantwortlich für alle rassistischen und chauvinistischen Anfragen und Anträge der AfD-Fraktion in Bochum. In seinen Reden versuchte er jedoch immer eine bürgerliche Fassade zu wahren.

Dirk Loose beim Flyer verteilen für die AfD

Rückkehr zum Liberalismus?

Die AfD rückte bundesweit immer weiter nach rechts. Erst verließen die Eurokritiker*innen um Lucke die Partei. Danach die Ultrakonservativen um Frauke Petry. Es blieben nur noch die Faschist*innen übrig. In dieser Phase verließ auch Sebastian Marquardt die Partei. Im Sommer 2017 lag er sein Ratsmandat nieder. Ob er eingesehen hat, dass die Nationalliberalen und Sozialchauvinist*innen den Faschist*innen den Weg bereitet haben, eine Mitgliederstarke Partei zu etablieren, wird immer sein Geheimnis bleiben.

Nationalliberal im Süden

Sein Mandat in der Bezirksvertretung Bochum-Süd hat Marquardt behalten. Er schloss sich dem FDP-Mitglied Manfred Baldschus an. Gemeinsam bilden sie nun die Fraktion „FDP and friends“. Baldschus viel schon häufig durch rassistische Äußerungen in der Bezirksvertretung auf. Somit passt der Ex-AfDler Marquardt perfekt zu Baldschus; sie bilden damit eine nationalliberale Fraktion.

Neoliberale und pro-kapitalistische Ansichten haben viele Menschen in die AfD gehen lassen, sie sind durch ihren Sozialchauvinismus nicht nur anschlussfähig zu rassistischen, nationalistischen und schlussendlich faschistischen Einstellungen. Sie bedingen einander. Die Verachtung von Menschen aufgrund nicht selbst gewählter Eigenschaften ist ihnen gemein. Sie werten u.a. ab aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Sexualität und Klasse. Deswegen gilt es gemeinsam gegen Menschenfeindlichkeit vorzugehen, sie aufzudecken, sie zu benennen und schlussendlich zu zerschlagen!