Stammtische

Zur Gewinnung von Nachwuchs und als regelmäßigen Treffpunkt, setzt die AfD auf sogenannte „Stammtische“. Bei diesen Treffen, zu denen sowohl Mitglieder als auch Interessierte geladen sind, sollen politische Diskussionen geführt werden und Vorträge stattfinden. Veranstaltungsorte sind meist Kneipen oder Gaststätten. Wie bei diesen formlosen Treffen mit jeder Menge Bier über Themen wie Geflüchtete oder die Planung der großen Zukunft der AfD gesprochen wird, kann man sich vorstellen. Verschiedene   Artikel von Journalisten, welche „Stammtische“ undercover besuchten, berichten übereinstimmend von Rassismus und ausländerfeindlichen Parolen bei diesen Veranstaltungen, die zu einem überwiegendem Teil von älteren Männern besucht werden.

Mit diesen Stammtischen will sich die AfD vor allem bürgernah und als Partei „des kleinen Mannes“ geben. Denn wo lässt es sich besser über Politik diskutieren, als bei einem Feierabendbier in der Kneipe um die Ecke? Diesen direkten und ungezwungenen Kontakt mit ihren Sympathisant*innen nutzt die AfD, um sich von den anderen Parteien abzuheben. Sie stellt sich selbst als die eine Partei dar, die sich den alltäglichen Probleme und Ängste der Bürger*innen annimmt und diese ernst nimmt. Dass die AfD selbst durch die Themen auf ihren Veranstaltungen viele dieser Probleme und Ängste überhaupt erst aufkommen lässt, erwähnt die sie dabei nicht.

Auch die AfD in Bochum veranstaltet seit 2014 diese „Stammtische“. Sie dokumentierte dies bis 2017 auf ihrer Internetseite. Veranstaltungsorte werden dabei nicht genannt. Diese erfährt man erst nach dem Ausfüllen eines Kontaktformulars. Bei diesen Veranstaltung werden sowohl auf Bochum bezogene als auch auf gesamtgesellschaftliche Themen behandelt. So werden beispielsweise Wahlanalysen der letzten Kommunalwahl durchgeführt, die Themen „Flüchtlinge“ und Kriminalität in Bochum besprochen oder Vorträge zur Eurokrise durchgeführt. Teilweise werden die Veranstaltungen selbst vom Kreisverband Bochum durchgeführt, teilweise werden hierbei Redner – natürlich Mitglieder der AfD – geladen. 

So besuchten Bernd Essler (Finanzpolitischer Sprecher des AfD Landesverbandes NRW) und Christian Blex (AfD MdL) Veranstaltungen Bochum und traten dort als Redner auf.

Blex ist dem rechts nationalen Flügel der AfD zuzuordnen und ist schon häufiger durch rechte Aussagen unter anderen in den sozialen Netzwerken aufgefallen. Auf Twitter griff er nach einer Gedenkveranstaltung Mevlüde Genc, Überlebende des Brandanschlags in Solingen, an und beschwerte sich über ihr Kopftuch und ihre seiner Meinung nach zu schlechten Deutschkenntnisse. Mevlüde Genc verlor bei dem rechtsradikal motiviertem Brandanschlag zwei Kinder, zwei Enkelinnen und eine Nichte.

Generell geht die AfD Bochum bei der Auswahl und der Ausarbeitung der Themen auf den „Stammtischen“ im üblichen Stil der AfD vor. Diskussionen über unter anderem Geflüchtete, den Islam oder die verhasste GEZ stehen im Mittelpunkt dieser Propagandaveranstaltungen. Die dort vorgetragenen Präsentationen (auf der AfD Homepage veröffentlicht) sind einseitig und darauf ausgelegt, Emotionen wie Angst oder Wut bei den Zuhörer*innen zu erzeugen.

Präsentation beim AfD Stammtisch

Bei einer Veranstaltung zum Thema Geflüchtete und deren Unterbringung in Bochum, bereitete die AfD Bochum eine Präsentation vor, die die Pläne der Stadtverwaltung vorstellen sollte. Die AfD zeigte dabei alle 27 Standortvorschläge, die die Verwaltung dem Rat der Stadt gemacht hatte. Sie präsentierte zusätzlich deren Lage auf je einer Karte und gab weitere Informationen zum jeweiligen Standort, wie zum Beispiel zur Bahnanbindung oder zu in der Nähe liegenden Einrichtungen.

Weiter wird der Abdruck eines Artikels aus der WAZ gezeigt, der die Schlagzeile „Alle Flüchtlinge zuerst nach Bochum“ trägt.

Präsentation beim AfD Stammtisch

Es wird somit durch die AfD eine deutliche Bedrohungskulisse heraufbeschworen. „Alle Flüchtlinge“ werden nach Bochum kommen und überall werden Unterkünfte aus dem Boden schießen, könnte man glauben, wenn man auf die einseitigen Informationen der AfD setzt.

Wenn nur die Präsentation angesehen wird, erhält man keine Information dazu, dass es sich tatsächlich lediglich um Vorschläge der Verwaltung handelte, aus der die Politiker*innen im Rat wählen sollten.

Es wurden zu dieser Zeit Standorte für Unterkünfte für Geflüchtete gesucht, allerdings wollte die Stadtverwaltung nur 3 dieser 27 Vorschläge tatsächlich umzusetzen. Der Zeitungsartikel den die AfD mit in die Präsentation aufgenommen hatte, bezog sich auf eine geplante Landes-Erstaufnahmeeinrichtung in Bochum und nicht um Wohnunterkünfte. In 2018 wurde diese fertig gestellt und dient als Erstregistrierungsstelle für Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen. Der Aufenthalt in diesen Einrichtungen dauert lediglich um die 5 – 6 Stunden. 

Präsentation beim AfD Stammtisch

Eine weitere Veranstaltung der AfD in Bochum beschäftigt sich mit dem Thema Rundfunkbeiträge. Da der Rundfunkbeitrag der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dient, ist dieser der AfD generell ein Dorn im Auge. Die AfD benutzt häufig den Begriff der „Lügenpresse“, wenn es um die Berichterstattung der Presse geht – besonders der öffentlich-rechtlichen. Der im historischen Kontext antisemitische Ausdruck wird von AfD Anhänger*innen als Verschwörung der von höheren Mächten geleiteten Presse gegen ihre Politik und ihr Auftreten gesehen. Geheime Eliten wollen angeblich mit Hilfe dieser „Lügenpresse“, durch systematisch falsche Berichterstattung „das Volk“ betrügen und davon abhalten sich der AfD anzuschließen. Diese Verschwörungstheorie hat großes Potential in der Anhängerschaft von rechtspopulistischen Parteien, da sie ein klassisches „Wir gegen die!“ erzeugt – eines der Kernelemente des Rechtspopulismus. Auch die AfD Bochum nutzt dieses Bild der Presse in ihrem Vortrag über den Rundfunkbeitrag. Die zugehörige Präsentation trägt den reißerischen Titel „GENUG ABGEZOCKT!“. Vordergründig wird darin darauf eingegangen, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um eine überholte Abgabe handelt, die nicht an die richtigen Stellen fließt. Weitere Informationen zur Rundfunkgebühr gibt es dabei allerdings nicht. Die AfD geht eher darauf ein, wie viel die jeweiligen Mitarbeiter*innen der öffentlich rechtlichen Sender verdienen und schließen, dass der Rundfunkbeitrag in diese Gehälter und Altersvorsoge fließt. Sie stellt diese außerdem als vom Staat gelenkt dar.

Die Stammtische sind somit sowohl reißerisch als auch hetzerisch. Einseitige Inhalte werden als Informationsveranstaltung ausgegeben und mit dem Weltbild der AfD ausgeschmückt. Aufgrund dieser Abendgestaltung scheint der AfD bewusst, dass sich die antifaschistische Bochumer Zivilgesellschaft dagegen stellen würde, deshalb gab sie die Orte der Stammtische nie öffentlich preis. Ob heute noch Stammtische stattfinden, ist nicht bekannt. Zumindest werden diese weder auf der Internetseite beworben noch dokumentiert, was nicht dafür spricht, dass es die geringste Resonanz darauf gibt.