Johannes Paul – der „Wahlkampf-Pistolero“ der AfD Bochum

Der ehemalige AfD Delegierte und Kreisverbandssprecher gehört zu den fragwürdigeren Mitgliedern, die AfD Bochum in ihrer kurzen politischen Karriere hatte. Der Heilpraktiker, der auch bei den Montagsdemos der Verschwörungszene aktiv war, bedrohte im Frühjahr 2014 einen Antifaschisten mit vorgehaltener Waffe und blieb trotzdem für die AfD in der Stadtpolitik aktiv und war über 2 Jahre stimmberechtigtes Mitglied in einem Ausschuss.

Am 23. April 2014 brachte eine Gruppe AfD Anhänger*innen an der Oskar-Hoffmann-Straße Plakate für die anstehende Wahl an. Ein Antifaschist, der dies zufällig beobachtete, brachte engagiert seinen Unmut über den rassistischen Wahlkampf zum Ausspruch. Als er daraufhin auf sein Rad stieg und seinen Weg fortsetzen wollte, wurde er von AfD-Kreisverbandssprecher Johannes Paul, der sich als einer der Plakatierer herausstellte, mit dem Auto verfolgt. Die Verfolgung endete auf einem nahegelegenen Parkplatz, als Paul dem Antifaschisten den Weg mit seinem Auto abschnitt. Nach diesem äußerst riskantem Fahrmanöver bedrohte der AfD Politiker den Fahrradfahrer mit einer Waffe, die er auch noch demonstrativ durchlud. Passant*innen die den Vorfall beobachteten zeigten sich geschockt von der Gewaltbereitschaft des AfDlers Paul. Angeblich handelte es sich bei der Waffe um eine Schreckschusspistole. Der Antifaschist erstattete Anzeige bei der Bochumer Polizei.

Die AfD äußerte sich in einer Pressemitteilung zu dem Vorfall, in der sie versuchte sich und ihr Mitglied in die Rolle des Opfers zu bringen. Die Bedrohung mit der Waffe entschuldige sie mit der Angst Pauls vor angeblichen Angriffen durch die Antifa. Trotz diesem offensichtlichen Rückhalt für Paul, erklärt dieser zunächst für alle Parteiämter den Rücktritt, um „durch die laufenden Ermittlungen eventuellen Schaden von der Partei und dem Amt fernzuhalten“.

Dieser Rücktritt war allerdings von kurzer Dauer. Bereits im Juni 2014 stand Johannes Paul als Ersatz-Delegierter der AfD in Bochum fest und konnte somit die Stadtpolitik aktiv mitgestalten. Für die Liste auf der Pauls Name stand stimmten neben der AfD Fraktion auch Einzelratsmitglieder von NPD und ProNRW.

In einer Ratssitzung im September wurde der Einsatz von Johannes Paul als Delegierter im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales thematisiert. Politiker der Piratenpartei und der Linkspartei stellten die notwendigen Fragen zur Eignung des AfD Manns, der bei politischem Gegenwind scheinbar gerne seine Waffe zückt. Erst auf mehrmaliges Nachfragen reagierte die AfD Fraktion trotzig. Sie versuchte die Bedrohung damit zu rechtfertigen, dass es sich bei dem Geschädigten schließlich um ein Antifa Mitglied handele. Des Weiteren informierte die AfD darüber, dass das Verfahren zwischenzeitlich eingestellt worden sei. Die treffende Beschreibung Pauls als „Wahlkampf-Pistolero“ durch den Linken Politiker Lange, empfanden sie als Beleidigung.

Es ist der AfD Bochum scheinbar nicht zuwider einen Menschen unkommentiert als Ausschussmitglied zu benennen, der politische Gegner verfolgt und mit Waffengewalt bedroht. Sie zeigt dabei im Rat scheinbares Verständnis für diese Tat und begründet dies mit der politischen Einstellung des Bedrohten. Es muss sich somit, neben der Frage nach der Zurechnungsfähigkeit von Johannes Paul, gefragt werden, wie die AfD Bochum zu politisch Andersdenkenden steht und welche Mittel sie in Kauf nimmt um Gegner ihres rassistischem Weltbildes zu bekämpfen.

Paul ist seit 08.12.2016 nicht mehr Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, da er als Mitglied aus der AfD ausschied. Obwohl Paul der AfD Bochum den Rücken gekehrt hat, sollte der Vorfall sowie die Reaktion der AfD Bochum auf die Gewaltbereitschaft ihres ehemaligen Mitglieds Paul im Gedächtnis bleiben.

Stammtische

Zur Gewinnung von Nachwuchs und als regelmäßigen Treffpunkt, setzt die AfD auf sogenannte „Stammtische“. Bei diesen Treffen, zu denen sowohl Mitglieder als auch Interessierte geladen sind, sollen politische Diskussionen geführt werden und Vorträge stattfinden. Veranstaltungsorte sind meist Kneipen oder Gaststätten. Wie bei diesen formlosen Treffen mit jeder Menge Bier über Themen wie Geflüchtete oder die Planung der großen Zukunft der AfD gesprochen wird, kann man sich vorstellen. Verschiedene   Artikel von Journalisten, welche „Stammtische“ undercover besuchten, berichten übereinstimmend von Rassismus und ausländerfeindlichen Parolen bei diesen Veranstaltungen, die zu einem überwiegendem Teil von älteren Männern besucht werden.

Mit diesen Stammtischen will sich die AfD vor allem bürgernah und als Partei „des kleinen Mannes“ geben. Denn wo lässt es sich besser über Politik diskutieren, als bei einem Feierabendbier in der Kneipe um die Ecke? Diesen direkten und ungezwungenen Kontakt mit ihren Sympathisant*innen nutzt die AfD, um sich von den anderen Parteien abzuheben. Sie stellt sich selbst als die eine Partei dar, die sich den alltäglichen Probleme und Ängste der Bürger*innen annimmt und diese ernst nimmt. Dass die AfD selbst durch die Themen auf ihren Veranstaltungen viele dieser Probleme und Ängste überhaupt erst aufkommen lässt, erwähnt die sie dabei nicht.

Auch die AfD in Bochum veranstaltet seit 2014 diese „Stammtische“. Sie dokumentierte dies bis 2017 auf ihrer Internetseite. Veranstaltungsorte werden dabei nicht genannt. Diese erfährt man erst nach dem Ausfüllen eines Kontaktformulars. Bei diesen Veranstaltung werden sowohl auf Bochum bezogene als auch auf gesamtgesellschaftliche Themen behandelt. So werden beispielsweise Wahlanalysen der letzten Kommunalwahl durchgeführt, die Themen „Flüchtlinge“ und Kriminalität in Bochum besprochen oder Vorträge zur Eurokrise durchgeführt. Teilweise werden die Veranstaltungen selbst vom Kreisverband Bochum durchgeführt, teilweise werden hierbei Redner – natürlich Mitglieder der AfD – geladen. 

So besuchten Bernd Essler (Finanzpolitischer Sprecher des AfD Landesverbandes NRW) und Christian Blex (AfD MdL) Veranstaltungen Bochum und traten dort als Redner auf.

Blex ist dem rechts nationalen Flügel der AfD zuzuordnen und ist schon häufiger durch rechte Aussagen unter anderen in den sozialen Netzwerken aufgefallen. Auf Twitter griff er nach einer Gedenkveranstaltung Mevlüde Genc, Überlebende des Brandanschlags in Solingen, an und beschwerte sich über ihr Kopftuch und ihre seiner Meinung nach zu schlechten Deutschkenntnisse. Mevlüde Genc verlor bei dem rechtsradikal motiviertem Brandanschlag zwei Kinder, zwei Enkelinnen und eine Nichte.

Generell geht die AfD Bochum bei der Auswahl und der Ausarbeitung der Themen auf den „Stammtischen“ im üblichen Stil der AfD vor. Diskussionen über unter anderem Geflüchtete, den Islam oder die verhasste GEZ stehen im Mittelpunkt dieser Propagandaveranstaltungen. Die dort vorgetragenen Präsentationen (auf der AfD Homepage veröffentlicht) sind einseitig und darauf ausgelegt, Emotionen wie Angst oder Wut bei den Zuhörer*innen zu erzeugen.

Präsentation beim AfD Stammtisch

Bei einer Veranstaltung zum Thema Geflüchtete und deren Unterbringung in Bochum, bereitete die AfD Bochum eine Präsentation vor, die die Pläne der Stadtverwaltung vorstellen sollte. Die AfD zeigte dabei alle 27 Standortvorschläge, die die Verwaltung dem Rat der Stadt gemacht hatte. Sie präsentierte zusätzlich deren Lage auf je einer Karte und gab weitere Informationen zum jeweiligen Standort, wie zum Beispiel zur Bahnanbindung oder zu in der Nähe liegenden Einrichtungen.

Weiter wird der Abdruck eines Artikels aus der WAZ gezeigt, der die Schlagzeile „Alle Flüchtlinge zuerst nach Bochum“ trägt.

Präsentation beim AfD Stammtisch

Es wird somit durch die AfD eine deutliche Bedrohungskulisse heraufbeschworen. „Alle Flüchtlinge“ werden nach Bochum kommen und überall werden Unterkünfte aus dem Boden schießen, könnte man glauben, wenn man auf die einseitigen Informationen der AfD setzt.

Wenn nur die Präsentation angesehen wird, erhält man keine Information dazu, dass es sich tatsächlich lediglich um Vorschläge der Verwaltung handelte, aus der die Politiker*innen im Rat wählen sollten.

Es wurden zu dieser Zeit Standorte für Unterkünfte für Geflüchtete gesucht, allerdings wollte die Stadtverwaltung nur 3 dieser 27 Vorschläge tatsächlich umzusetzen. Der Zeitungsartikel den die AfD mit in die Präsentation aufgenommen hatte, bezog sich auf eine geplante Landes-Erstaufnahmeeinrichtung in Bochum und nicht um Wohnunterkünfte. In 2018 wurde diese fertig gestellt und dient als Erstregistrierungsstelle für Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen. Der Aufenthalt in diesen Einrichtungen dauert lediglich um die 5 – 6 Stunden. 

Präsentation beim AfD Stammtisch

Eine weitere Veranstaltung der AfD in Bochum beschäftigt sich mit dem Thema Rundfunkbeiträge. Da der Rundfunkbeitrag der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dient, ist dieser der AfD generell ein Dorn im Auge. Die AfD benutzt häufig den Begriff der „Lügenpresse“, wenn es um die Berichterstattung der Presse geht – besonders der öffentlich-rechtlichen. Der im historischen Kontext antisemitische Ausdruck wird von AfD Anhänger*innen als Verschwörung der von höheren Mächten geleiteten Presse gegen ihre Politik und ihr Auftreten gesehen. Geheime Eliten wollen angeblich mit Hilfe dieser „Lügenpresse“, durch systematisch falsche Berichterstattung „das Volk“ betrügen und davon abhalten sich der AfD anzuschließen. Diese Verschwörungstheorie hat großes Potential in der Anhängerschaft von rechtspopulistischen Parteien, da sie ein klassisches „Wir gegen die!“ erzeugt – eines der Kernelemente des Rechtspopulismus. Auch die AfD Bochum nutzt dieses Bild der Presse in ihrem Vortrag über den Rundfunkbeitrag. Die zugehörige Präsentation trägt den reißerischen Titel „GENUG ABGEZOCKT!“. Vordergründig wird darin darauf eingegangen, dass es sich beim Rundfunkbeitrag um eine überholte Abgabe handelt, die nicht an die richtigen Stellen fließt. Weitere Informationen zur Rundfunkgebühr gibt es dabei allerdings nicht. Die AfD geht eher darauf ein, wie viel die jeweiligen Mitarbeiter*innen der öffentlich rechtlichen Sender verdienen und schließen, dass der Rundfunkbeitrag in diese Gehälter und Altersvorsoge fließt. Sie stellt diese außerdem als vom Staat gelenkt dar.

Die Stammtische sind somit sowohl reißerisch als auch hetzerisch. Einseitige Inhalte werden als Informationsveranstaltung ausgegeben und mit dem Weltbild der AfD ausgeschmückt. Aufgrund dieser Abendgestaltung scheint der AfD bewusst, dass sich die antifaschistische Bochumer Zivilgesellschaft dagegen stellen würde, deshalb gab sie die Orte der Stammtische nie öffentlich preis. Ob heute noch Stammtische stattfinden, ist nicht bekannt. Zumindest werden diese weder auf der Internetseite beworben noch dokumentiert, was nicht dafür spricht, dass es die geringste Resonanz darauf gibt.

Der maximale Sexismus des Maximilian Knellers

Dass bei der AfD und der Jungen Alternativen Sexismus zum Alltag gehört und dieser einen ihrer Grundpfeiler darstellt, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Doch im September 2015 hat es der damalige stellvertretende Vorsitzende der JA NRW, Maximilian Kneller, übertrieben. Er kommentierte ein Bild der Jungen Liberalen, welches bei dem Protest gegen eine AfD-Veranstaltung mit Frauke Petry in Bochum aufgenommen wurde, und drohte einem Mitglied der Jungen Liberalen mit einem sogenannten „Hatefuck“.

Ein Hatefuck bedeutet die Erniedrigung des anderen Sexualpartners (in diesem Fall weiblich). Hierbei wird keine Einvernehmlichkeit vorausgesetzt und die Betroffenen eines „Hatefucks“ werden erniedrigend behandelt. Hier zeigt sich klar wie Kneller die Welt sieht und wie er Frauen in seiner Weltanschauung einordnet. Als willenloses Sexobjekt.

Bei der anschließenden Diskussion in dem Facebook-Forum der Jungen Liberalen, welche aufgrund seines Kommentares losgebrochen ist, legte Kneller nochmal mit den Worten: „Meine fresse, insgeheim will die kleine Schlampe doch einmal in ihrem drecksleben nicht von einem blümchensex-gutmenschen, der danach 15 mal fragt, wie er war, gefickt werden, sonder von einem rechten manchesterliberalen wie mir.“ [sic!] nach.

Die Polizei ermittelte zwar und Kneller trat von seiner Position als stellvertretender Vorsitzender zurück, jedoch blieb eine Stellungnahme oder sonstige Folgen seitens der JA und der AfD aus. Stattdessen wurde Kneller im Jahr 2017 erneut in den Vorstand der JA NRW gewählt.

Dies ist jedoch nur eines von vielen Beispielen für den Sexismus in der AfD. Sei es nun bei öffentlichen Veranstaltungen, an Stammtischen, in ihrem Wahlprogramm oder im Internet – die AfD fällt immer wieder mit sexistischen Bemerkungen auf. Sie setzen sich ein gegen Homosexuelle, Patchworkfamilien, alleinerziehende Eltern, Abtreibungen und jegliche Form von alternativen Lebens- und Familienmodellen. Ihrer Meinung nach ist das traditionelle Familienbild, also mit arbeitendem Mann und der Frau mit den Kindern zuhause, das einzig erstrebenswerte und alles andere bedeutet den Untergang des „deutschen Volkes“. Frauen werden dabei immer wieder als Menschen zweiter Klasse dargestellt, die sich den Männern zu fügen haben.

Auch die Frauenquote und eine genderneutrale Sprache lehnt die AfD ab, da diese aktive Vorgehenweisen gegen eine patriachale Gesellschaft und für ein freies und selbstbestimmtes Leben sind. Dass die AfD dies auch versucht aktiv umzusetzen, zeigt sich besonders gut an der Bundestagsfraktion. Diese zieht mit einem Anteil von 88,3% Prozent an Männern in den Bundestag ein und ist damit die Fraktion mit dem geringsten Frauenanteil. Selbst die Union hat einen höheren Frauenanteil.

Auch in den Reden von AfD-Funktionären wird, wenn von Frauen geredet wird, entweder von den Lebenspartnerinnen der Funktionäre geredet oder von deutschen Frauen die durch männliche Geflüchtete „in Gefahr“ sind. Dass die AfD jedoch nichts mit dem Schutz von Frauen am Hut hat, zeigt sich ebenfalls sehr gut an deren Wahlprogramm, in welchem die AfD sich für „die Rechte von Vätern“ stark macht. Von Frauen steht dort jedoch erschreckend wenig. Hier werden zum Teil tiefe Einschnitte in die Rechte der Frauen gefordert, wie zum Beispiel bei alleinerziehenden Müttern. Diese sollen nämlich, nach dem Wunsch der AfD, nur noch dann Gelder vom Staat erhalten, wenn der andere Elternteil an der „Erziehungsverantwortung“ teilhaben darf, da angeblich Väter unter den Bestimmungen zur Teilhabe am Leben Kindes leiden. Dass dies zum Beispiel bei gewalttätigen oder übergriffigen Ex-Partnern mehr als unverantwotlich ist, wird hier außer Acht gelassen. Organisationen, die alleinerziehende Eltern unterstützen oder eine „Ein-Eltern-Familie“ als erstrebenswert erachten, sollen zudem gar keine finanzielle Unterstützung erhalten. So viel zum Schutz von Frauen.

Auch das Recht auf Scheidung soll laut der AfD abgeschafft werden, eine Errungenschaft für die Frauen jahrzentelang gekämpft haben. Wenn dann AfD-Bundestagsabgeordnete Mariana Harder-Kühnel sagt, sie wollen das „Bewusstsein für die erkämpften Freiheiten und Rechte bei Frauen wecken und sie vor zugewanderten Männern aus archaischen Kulturen schützen“, scheint es, als ob das eigene Parteiprogramm nicht einmal gelesen wurde. Hier wird immer wieder gefordert die Rechte von Frauen tief einzuschneiden und zum Teil komplett abzuschaffen. Da stellt sich die Frage wer nun die größere Gefahr darstellt. Eine Partei im Bundestag oder geflüchtete Männer?

Für uns ist die Antwort auf diese Frage klar. denn die AfD bestimmt schon viel zu lange den politischen Diskurs, sei es nun mit rassistischen, antisemitischen, sexistischen oder nationalistischen Äußerungen und gefährdet damit massiv ein selbstbestimmtes und freies Leben. Sie stellt somit eine große Gefahr für die Demokratie dar und ist alles andere als eine Alternative für Deutschland, sondern eher eine Partei die für Werte eintritt, welche schon einmal das Leben von Millionen Menschen gefordert haben.