Fremdenfeindlich und gut vernetzt
Eines der zentralen Themen der AfD ist ein einheitliches Verständnis von Volk, Kultur und Identität. Bereits kurz nach Gründung der Partei wurde auf deren Offenheit nach rechts und nationalistische Prägung aufmerksam gemacht, die zunehmend in den Vordergrund rücken. Dies zeigt sich neben der strukturellen Dominanz des völkisch-nationalistischen Flügels und dem Einfluss der extrem rechten Patriotischen Plattform, der einige führende Politiker*innen der Partei angehören, auch an der Zusammenarbeit mit rechten Bündnissen wie Pegida, Hogesa oder der Identitären Bewegung. Zu letzterer bestehen eindeutige Kontakte bspw. über Roger Beckamp, Mitglied des Landtags aus Köln, der im Oktober 2018 in Halle als Referent bei der Identitäten Bewegung auftrat und Journalist*innen bedrängte. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion NRW und ehemalige Vorsitzende der JA (Junge Alternative), Sven Tritschler, hält regen Kontakt zur Identitären Bewegung. Darüber hinaus fiel er nicht nur durch verbale Entgleisungen bezüglich Geflüchteten auf, die er mal für sexualisierte Gewalt verantwortlich machen wollte, mal wegen ihrer Flucht als feige betitelte, sondern auch durch eine makabre Aktion im Juli 2016, bei der er und weitere Mitglieder der JA in der Kölner Innenstadt vermummt u.a. „Allahu Akbar“ riefen und somit Panik unter den Menschen verbreiten wollten. Ein weiteres Beispiel ist Erik Lehnert, persönlicher Mitarbeiter im Bundestag über die Landesliste NRW. Lehnert war Geschäftsführer des neurechten Instituts für Staatspolitik und steht ebenfalls der Identitären Bewegung nahe.
Dabei äußert sich die extrem rechte Prägung immer wieder anhand rassistischer Aussagen (z.B. von Führungspersonen wie Gauland, Höcke oder von Storch), dem Hass auf interkulturellen Austausch und Migration („Multikulti“), dem Hetzen gegen (vermeintliche) Ausländer, einer ausgeprägten Islamfeindlichkeit im Sinne einer verabsolutierten Stereotypisierung des Anderen und schließlich der Hetze gegen Geflüchtete. Die Partei instrumentalisiert gesellschaftliche Probleme, um Hass und Vorurteile weiter zu schüren. Der neue UN-Migrationspakt greift verschiedene Forderungen der AfD auf. Daran zeigt sich der bisherige Einfluss dieser und anderer nationalkonservativer und extrem rechter Parteien auf den gesamteuropäischen Diskurs um das Thema Flucht und Migration. Dennoch stellt sich die AfD gegen den Migrationspakt und damit gegen eine globale Strategie zum Umgang mit Flucht, da sie ein Einbußen nationaler Souveränität befürchtet. Stattdessen nutzt sie die Thematik, um Migration per se zu illegalisieren. Auch die NRW Landtagsfraktion der AfD fordert mit dem zynisch betitelten Programm „Fit4Return“ ähnliches wie bereits der Migrationspakt und legt ihren Schwerpunkt auf die Vorbereitung sogenannter „Remigration“. Gleichzeitig stellt sie Asyl und Zuwanderung eindeutig in Verbindung mit Illegalität.Sie suggeriert mit der Forderung nach Verhinderung von Asylmissbrauch, ein solcher würde massenhaft vorkommen und stellt damit Geflüchtete unter Generalverdacht. Ebenso behauptet die AfD, die Kriminalität steige aufgrund von Zuwanderung und fordert härtere Strafen und schnellere Abschiebungen krimineller (vermeintlicher) Ausländer*innen. Um solche Positionen zu legitimieren, verbreiten Teile der Partei immer wieder Falschmeldungen über Ausländer*innenkriminalität. Dass die Deliktzahlen seit Jahren sinken, sei Teil staatlicher Propaganda. Die AfD bedient sich hier also nicht nur einer kulturrassistischen Argumentation, nach der Personen mit Migrationsgeschichte krimineller seien als „Bio-Deutsche“, sondern greift auch die Verschwörungstheorie einer politischen Elite auf, die die Bevölkerung belüge und schließlich durch „schleichenden Landnahme“ durch Migration ersetzen wolle.
Verschwörungstheorien und “Islamkritik”
Die AfD vertritt somit eine klare Linie bezüglich Migration und Flucht: sie fordert einen starken Nationalstaat, mehr Kontrollen und geschlossene Grenzen. In ihrer Argumentation bedient sie sich dabei dem auch bei anderen extrem rechten Bewegungen zu findenden Narrativ des „Großen Austauschs“. Demnach trage Migration nicht nur langfristig dazu bei, die einheimische Bevölkerung zu verdrängen oder gar einen „Volkstod“ herbeizuführen, sondern dies werde sogar von einer linken Hegemonie gewollt und vorangetrieben. Neben dieser Verschwörungstheorie, eine – mal heimliche, mal offensichtliche – Elite würde Falschmeldungen verbreiten, um Migrant*innen in einem besseren Licht dastehen zu lassen, stützt sich die AfD in ihren Aussagen auf Halb- und gefühlten Wahrheiten und spielt verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander aus.
In einem Thesenpapier aus dem Jahr 2015 fordert die Partei, das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch abzuschaffen. Dies begründet sie mit einer angeblichen „Masseneinwanderung“, die zum einen nicht durch geltendes Recht geregelt werden könne, zum anderen drohe, das Eigene – die imaginierte deutsche Leitkultur – zu zerstören. Stattdessen seien „gewachsene kulturelle und regionale Traditionen“ zu schützen; dazu zählen für die AfD Ehe und Familie (die sie jedoch nur Heterosexuellen zugesteht) und eine Leitkultur, die auf Christentum, Sprache und Identität beruhe und mit dem Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft nicht vereinbar sei. Es gebe demnach eine national einheitliche Kultur, die durch Zuwanderung zerstört würde. Dabei blendet die AfD aus, dass Kultur immer schon ein Produkt verschiedener Strömungen und Einflüsse war und ist, weder statisch, noch an einen geografischen Ort zu binden und seit Jahrhunderten von Migration geprägt. In der Annahme jedoch, Zugehörigkeit ergebe sich durch Herkunft und Abstammung – oder eine national geprägte, homogene Kultur – kann sie ohne weitere Begründung alle Personen als nicht-zugehörig ausweisen, die mit ihrem Verständnis deutscher Leitkultur nicht übereinstimmen. Somit wird der Mensch auf seine konstruierte Herkunft und damit verbundene Stereotype reduziert. Mit der Forderung „mehr (deutsche) Kinder statt Masseneinwanderung“ schließt die AfD schließlich an biologistische und rassistische Argumentationsmuster an.
Auch in ihrem Bundesprogramm von 2016 bedient sich die Partei verschwörungstheoretischen, chauvinistischen, autoritaristischen und rassistischen Positionen. In ihrem Grundsatzprogramm spricht sie bspw. von einem „Europa der Vaterländer“, ein Ausdruck, der eigentlich aus dem extrem rechten Spektrum bekannt ist und sich in bspw. in der Kritik am Migrationspakt oder auch der Forderung der Bochumer Stadtratsfraktion spiegelt, die Stadt solle keine aus Seenot geretteten Geflüchteten aufnehmen.
Schließlich bedient sie sich zur Beschreibung der im Sommer 2015 starken, inzwischen kaum mehr spürbaren, Fluchtbewegungen verschiedener populistischer Argumentationen und reißerischer Metaphern wie „Bevölkerungsexplosion“ oder „Flüchtlingswelle“. Sie entmenschlicht damit diejenigen, die nach Europa fliehen, indem sie sie als bedrohliche Masse, statt als Individuen bezeichnet und ruft ein imaginiertes Katastrophenszenario herbei, in welchem die EU und Deutschland im Speziellen durch angeblich unkontrollierte Zuwanderung zerstört würden. Sie behauptet, das Asylrecht würde als „Vehikel der Masseneinwanderung missbraucht“. Bei der Forderung nach Grenzkontrollen im Westen NRWs betitelte sie bspw. Asylsuchende und Migrant*innen als „Eindringlinge“. Auch Christian Blex, Abgeordneter für den Kreis Warendorf, gehört dem rechtsnationalen Flügel an und fiel bereits mehrfach durch Falschmeldungen und rassistische Aussagen auf. So behauptete er bspw. Syrien sei vom Terror befreit, kritisierte Mevlüde Genc (die Mutter einer bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag 1993 in Solingen getöteten Familie) für ihre Deutschkenntnisse und ihr Kopftuch. Im Sommer 2018 brachte er die afrikanische Schweinepest mit „verfehlter Flüchtlingspolitik“ in Verbindung. Im Oktober 2018 gratulierte er Jair Bolsonaro zur Präsidentschaft in Brasilien – Bolsonaro geht in Brasilien gewaltsam gegen Oppositionelle, Homosexuelle und die indigene Bevölkerung vor. Blex‘ persönlicher Referent, Zacharias Schalley, ist zudem Vorsitzender bei der Jungen Alternativen und Gründungsmitglied des extrem rechten, der Identitäten Bewegung nahestehenden Verlags Publication e.V.
Globale Probleme lokal bekämpfen?
Auf europäischer Ebene ist inzwischen eine klare Tendenz abzusehen: zwar befinden sich Abgeordnete der AfD in verschiedenen (rechten) Fraktionen: von der rechtskonservativen EKR, über die populistische EFDD bis hin zur extrem rechten ENF. Ihr (derzeit amtierender) Spitzenkandidat für das Wahljahr 2019 ist Jörg Meuthen. Er ist Teil der extrem rechten Patriotischen Plattform in der AfD und Anhänger der Verschwörungstheorie des „Großen Austauschs“. 2017 ließ er auf Basis dieser Auffassung verlautbaren, Deutschland müsse „zurückerobert“ werden – von wem oder warum wird offen gelassen. Mit dieser kriegerischen Metapher wendet Meuthen sich entschieden gegen kulturellen Austausch und ein tolerantes Miteinander – Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und der europäischen Zusammenarbeit.
In Bezug auf Integration positioniert sich die AfD jedoch ambivalent: So sei Integration laut Grundsatzprogramm eine einseitige Angelegenheit, bei der Migrant*innen sich anzupassen hätten. Dass hierzu eine Kultur der Akzeptanz und verschiedene Hilfestellungen nötig sind, verkennt sie. Stattdessen sollen Migrant*innen, die ihrer „Bringschuld“ nicht nachkommen, sanktioniert oder gar wieder ausgewiesen werden. Gleichzeitig führten Integrationsmaßnahmen zu einer (ungewollten) Bleibeperspektive, die angeblich dazu führe, dass Geflüchtete nicht in ihre Heimat zurückkehren und stattdessen die einheimische Bevölkerung verdrängten. Auch hier findet sich ein nahtloser Anschluss zu den bereits genannten Verschwörungstheorien.
Nicht zuletzt fällt die Partei durch autoritaristische und antidemokratische Einstellungen auf. So betreibt sie eine undifferenzierte Elitenkritik, die sich vor allem gegen eine vermeintliche linke Hegemonie und die Alt-Parteien wendet. Dabei verkennt sie nicht nur, dass sie selbst Teil der politischen Elite, ihre Mitglieder aus dem gutverdienenden gesellschaftlichen Mittelstand stammen und ihre Interessensvertretung nicht dem „kleinen Mann“ gilt, sondern durch und durch neoliberal und leistungsorientiert ist, sondern erhebt zudem einen Alleinanspruch auf die Volksvertretung. Die AfD propagiert ein Gesellschaftssystem mit festen Hierarchien und Ordnungsvorstellungen und eine nationale Überlegenheitsvorstellung. Anhand der allgemeinen politischen Strategie der Partei wird deutlich, es geht ihr nicht um demokratische Grundwerte, sondern um die Destabilisierung eben jener.
Auch die Junge Alternative in NRW spricht sich für einen starken, wehrhaften Staat, autoritäre Strukturen und geschlossene Grenzen aus. Dabei richtet sie sich zuvorderst gegen Flucht und Migration und insbesondere gegen den Islam und seine Anhänger*innen. So fordert sie neben der Einführung von Grenzkontrollen im Westen NRWs (also bspw. zur Niederlande) auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht für alle deutschen Männer, um „soldatische Tugenden“ wieder zu stärken. Aber auch die Mutterpartei fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht zum (Wieder-)Aufbau einer nationalen Armee – schließlich solle sich die Bevölkerung mit „ihrer Armee“ identifizieren können. Ebenso sollen Polizei und Justiz ausgebaut werden, psychisch kranke, alkohol- und drogenabhängige Täter*innen nicht behandelt, sondern in Sicherungsverwahrung gebracht und kriminelle Migrant*innen ausgewiesen werden. Nicht zuletzt legt die AfD Wert auf Autorität und Leistungsorientierung. Sie möchte stärker unterscheiden zwischen gut und schlecht, zwischen denen mit und jenen ohne Chancen und damit schließlich auch zwischen arm und reich. Die AfD ist keine Alternative!