Antisemitische Äußerungen werden in der AfD nicht direkt getroffen, sondern scheinen in der Leugnung der Shoah, im Geschichtsrevisionismus und in Verschwörungstheorien durch, die von einzelnen Parteimitgliedern verbreitet werden. Die Leugnung oder Relativierung def Shoah werden auch als sekundärer Antisemitismus bezeichnet. Die AfD versucht sich weder klassisch-neonazistisch noch offen antisemitisch zu geben, sondern legt ihren Fokus auf die Hetze gegen Migration und den Islam. Durch die Verschiebung des aktuellen Feindbildes stellt sich die AfD als harmlose Partei der sogenannten Mitte der Gesellschaft dar. Diese Strategie ist sowohl aus der Geschichte wie auch von anderen rechten Gruppierungen bekannt und dient eher der Kaschierung des Antisemitismus in den eigenen Reihen als der Bekämpfung eben dessen. Die AfD ist mit ihrem antimuslimischen Kurs beliebt bei Rechtsradikalen und ein Zuhause für Stimmen aus diesem Spektrum. Gleichzeitig ist antimuslimischer Rassismus nicht erst seit wenigen Jahren anschlussfähig an bestehende gesellschaftliche Ressentiments, sondern bildet ein Scharnier zwischen extremer Rechter und dem Rest der Gesellschaft.
Von sich ablenken und Solidarität vortäuschen
Die Partei schreibt dem Islam und muslimischen Menschen per se Antisemitismus zu. Die Sozialisation in islamischen Umfeldern würde die Verbreitung dieses Ressentiments prägen. Der Glaube an den Islam wird hier auch mit einer arabischen Herkunft gleichgesetzt. Damit werden die Menschen unter einen Generalverdacht gestellt, so beispielsweise durch Gauland im Bundestag, der für Angriffe auf Träger*innen der Kippa muslimische Migrant*innen verantwortlich macht. Tatsächlich ist Antisemitismus bei Muslimen verhältnismäßig stark verbreitet. Antisemitismus ist jedoch kein Ressentiment, das einer Menschengruppe eigen ist, sondern ist überall in der Gesellschaft vertreten. Muslime stellen somit in der deutschen Gesellschaft keine Ausnahme dar, sondern wachsen auch hier in einer Gesellschaft auf, die Antisemitismus billigt oder gar verbreitet.
Der Bochumer AfD-Abgeordnete Christian Loose hat zusammen mit Sylvia Pantel (CDU), Michael Naor (jüdischer Psychologe) und Anette Schultner (ehemals Chefin der „Christen in der AfD, dann aus dem Flügel und der Partei ausgetreten) eine Kolumne auf dem privaten Nachrichten-Blog nrw-direkt.net.
Dort erschienene Beiträge zu Israel lassen zunächst eine solidarische Haltung durchblicken. Die AfD versucht sich mit dieser Strategie vom Antisemitismus frei zu sprechen. Gleichzeitig relativiert sie diesen mit der Implikation, Antisemitismus wäre außerhalb des Islam nicht vorhanden oder irrelevant. Die Partei solidarisiert sich aus Eigennutz mit Jüdinnen und Juden. Diese Strategie ist bereits aus der Sozialpolitik und dem falschen Feminismus der AfD bekannt, wo vorgeschobene Solidarität gegenüber Armen und gegenüber Frauen ausgeübt wird, um im gleichen Atemzug Migrant*innen zu beschimpfen.
Das stellt eine Parallele zum gesamten rechten Spektrum dar. Es werden vermeintliche gesellschaftliche Missstände konstruiert, deren Ursache meist ganz woanders liegen. Die ursprünglich durch den Kapitalismus hervorgerufenen Probleme haben eine komplexen Struktur aus Verantwortlichen, werden von Rechts jedoch vereinfacht dargestellt und einer einzigen Gruppierung zugeschrieben: Den Jüdinnen und Juden, den Homosexuellen, den Feministinnen ode eben den Migrant*innen.
Ein extrem rechter Sammelpunkt
Der Zentralrat der Juden und viele weitere jüdische Vereinigungen warnen bereits seit der Parteigründung vor der AfD. Die Mitglieder der völkisch-nationalistischen und extrem rechten Partei weigerten sich als einzige, bei einer Rede im Bundestag zum Holocaust-Gedenktag aufzustehen. Außerdem werden Leugner*innen der Shoah nicht konsequent aus der Partei ausgeschlossen. Stattdessen werden sie in Schutz genommen und es wird angezweifelt, dass eine Aussage tatsächlich antisemitisch war. Auch wird sich nicht ausreichend von antisemitischen Äußerungen distanziert. So stellt sich Alexander Gauland hinter Björn Höcke, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als “Denkmal der Schande” bezeichnet. Der Nationalsozialismus sei zudem nur ein “Vogelschiss” in der deutschen Geschichte, wodurch die historische Relevanz und Einzigartigkeit der Verbrechen unter Hitler zentral gegen Jüdinnen und Juden relativiert werden.
Die öffentliche Gedenkpolitik zum Holocaust wird somit nicht nur abgelehnt, sondern auch sabotiert. Geschichtlicher Revisionismus gehört somit bei der AfD schon fast zum guten Ton. Verantwortung für das, was war, ist und sein wird (nie wieder!) weist die AfD von sich. Sie lehnt den Konsens der Erinnerung an NS-Verbrechen ab und möchte den Geschichtsunterricht in ihrem Interesse verändern. Die Junge Alternative skandierte auf einem internen Treffen „Hamas, hamas, Juden ins Gas“. Die Partei beherbergt zwei rechtsradikale Gruppierungen, die Patriotische Plattform und der Flügel, welche beste Kontakte zur extremen Rechten wie zum Beispiel der Identitären Bewegung unterhalten. Die extreme Rechte widerum zeichnet sich durch offenen Antisemitismus aus.
Der Antisemitismus und die globale Elite
Indirekte Äußerungen verstecken nicht nur im geschichtsumdeutenden sekundären Antisemitismus, sondern auch im strukturellen Antisemitismus. Dabei wird hinter globalen politischen Abläufen eine im Verborgenen liegende, alles leitende Geheimgesellschaft konstruiert, wie zum Beispiel in Verschwörungstheorien. In diesen wird oft eine unbekannte Macht, die Elite, für das Weltgeschehen verantwortlich gemacht. Nicht selten ist diese jüdischer Herkunft und wird als das Böse schlechthin dargestellt. Mit solchen Theorien wurde im NS der Holocaust legitimiert. Auch heute meinen 55 % der deutschen Wähler*innen, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss (laut einer Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach). Etwas besser getarnt findet sich struktureller Antisemitismus in Äußerungen von AfD Politiker*innen wieder. So behauptete Gauland in Bezug auf den UN-Migrationspakt: “Linke Träumer und globalistische Eliten wollen unser Land heimlich in ein Siedlungsgebiet umwandeln” und vermutet hier aus der Luft gegriffene heimliche Vorgänge, die von Eliten kontrolliert würden. Jüdinnen und Juden müssen nicht einmal genannt werden oder direkt gemeint sein. Allein das Denkmuster einer Verschwörung ist strukturell antisemitisch, da es an gängige Ressentiments egenübre Jüdinnen und Juden anschließt.
Die teils revisionistische Geschichtsdeutung lässt sich ebenfalls an einem Beispiel erläutern. So fiel bspw. Matthias Helferich, Beisitzer der Landtagsfraktion aus Dortmund, bei einer Wahlparty 2017 durch eine blaue Kornblume am Revers auf, die symbolisch auf die nationalsozialistische Schönerer-Bewegung zurückgeht und in Österreich als Erkennungszeichen der Nazis gilt. Auch Martin Renner, Mitbegründer der Partei und Mitglied des Bundestags aus Essen, fiel durch geschichtsrevisionistische Aussagen auf und warnt regelmäßig vor einer angeblichen „Schuldkult-Hypermoralisierung“ und stellte sich trotz aller Kritik hinter Björn Höcke.
Die Partei Alternative für Deutschland bietet neonazistischen Wähler*innen ein Zuhause und ist eine Plattform für Menschenfeindlichkeit aller Lager.