AfD und Rechtsterrorismus? Wie rechtspopulistische Sprache rechten Terror nährt.

Teil 3 von 3

Spätestens seit 2015 ist die europäische Rechte omnipräsent. Seien es islamophobe Demonstrationen von PEGIDA, die Identitäre Bewegung und eine sich zuspitzende Entwicklung von rassistischer und rechtsextremer Gewalt, bis hin zu rechtsextreme Terrorakten.
Inmitten dessen hat eine, sich „prächtig“ entwickelnde und radikalisierende AfD die von Umfragehoch zu Umfragehoch eilt, ihren Platz eingenommen.
Unabdingbar für diese Entwicklung ist die von der AfD vorangetriebene Verschärfung rechtspopulistischer Sprache und ihr Wirken im vorpolitischem Raum. Welche Mittel und Strategien dem zugrunde liegen, welche Ziele sie verfolgen und welche gefährlichen Wechselwirkungen dies hervorruft gilt es genau zu betrachten und zu beschreiben.

Vom Wort zur Tat 2

Als weiteres Beispiel, der tödlichen Folgen, des aus dem von der AfD geschaffenem Diskurs, gilt der Mord an dem Kassler CDU Politiker Walter Lübcke.
Durch seinen Unterstützung für die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, wurde er zum Feinbild der rechtsextremen so wie zum Symbol für den von „politischen Eliten“ herbeigeführten „Bevölkerungsaustausch“.
Der Kassler Regierungspräsident wurde am 02.06.2019 aus nächster Nähe, mit einem Schuss in den Kopf getötet, der mutmaßliche Schütze ist Neonazi Stephan Ernst, welcher die Tat anfangs gestand, sein Geständnis jedoch widerrief und inzwischen eine neue Version der Tathergangs angibt, nach dieser soll sein Kamerad Markus Hartmann die Waffe in der Hand gehalten haben, als sich versehentlich ein Schuss löste.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/luebcke-mord-kassel-rechtsextremismus-1.4749559)

Mediale Aufmerksamkeit erreichte Walter Lübcke durch seinen Auftritt bei einem Bürgerdialog in Lohfelden, Anlass war eine geplante Unterkunft für Asylbewerber*innen vor Ort.
Sein Auftritt wurde von Zwischenrufe seitens einiger rechter Anwendenden gestört. Lübcke, der die geplante Unterkunft und Schutzsuchende verteidigte, entgegneten den Rechten
„und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist.“ Ein Zitat welches mitgeschnitten und auf YouTube veröffentlicht wurde, ehe es in rechten Kreisen viral ging und einen rechten Shitstorm gegen Lübcke auslöste.
Bei dieser Veranstaltung waren auch Stephan Ernst und Markus Hartmann anwesend, vermutlich stammt das Video von ihnen.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-von-rechts-die-stille-vor-dem-schuss-1.4697179)

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen bereits aufgefallenen Rechtsextremisten, unter seinen Vorstrafen sind, illegaler Waffenbesitz, Körperverletzung und versuchter Totschlag.
Zudem kann Stefan Ernst auf eine lange Vergangenheit in der Rechtsextremenszene zurück blicken. Das antifaschistische Recherche Netzwerk Exif berichtet, dass Lübcke seit 2002 Teil der Kasseler Neonaziszene sei. Er war bei verschiedenen Kundgebungen der der lokalen Nazistrukturen anwesend und 2007 in eine Auseindersetzung mit Antifaschist*innen verwickelt. Am 1. Mai 2009 wurde Ernst bei einem Angriff von Neonazis auf die DGB Kundgebung in Dortmund festgenommen.
Schon 1993 war Ernst in Neonazistrukturen eingebunden und verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe wegen versuchten Totschlags, Ziel war damals eine Geflüchtetenunterkunft.
(https://exif-recherche.org/?p=6218)

In jüngerer Vergangenheit nahm Ernst mehrmals an öffentlichen Veranstaltungen der AfD teil, auch unterstützte er diese beim Plakatieren für die Landtagswahl 2018, persönlichen Kontakt zu den lokalen Funktionären der AfD soll es nicht gegeben haben. 
(https://www.tagesschau.de/inland/luebcke-159.html)
Dennoch wird hieran deutlich, dass Ernst sich in seinen Ansichten von der AfD am stärksten repräsentiert fühlte.

Dass bei Stephan Ernst keine Radikalisierung mehr durch die sozialen Netzwerke erfolgen musste, belegt seine Vergangenheit in der rechtsextremen Szene eindeutig, dass Ernst bereits wegen eines versuchten Anschlags verurteilt wurde, belegt seine Gewaltbereitschaft.
Trotzdem spielen auch bei Ernst die sozialen Medien eine wichtige Rolle.
Auf dem bei den Ermittlungen sichergestellte Handy entdeckten die Ermittler*innen hetzerische Kommentare. Besonders aktiv war Ernst auf YouTube wo er unter dem Pseudonym „Game Over“ kommentierte. Auch unter dem Video welches zu Berühmtheit Lübckes führte, wütet der rechte Mob. Beleidigungen „Ein widerlicher Lump, fremdgesteuert und ohne jeglichen Verstand! Fantasiert von Demokratie im Land der Meinungsfaschisten.“, Hinweise auf einen vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“ „ Wie betäubtes Vieh auf dem Weg zur Schlachtbank. Die deutschen werden ausgerottet“ „Die alten Bürger sollen das Land verlassen um Platz zu machen für die neuen, besseren Einwanderer. Wo neue Menschen kommen müssen die alten Menschen gehen. Geht denen jetzt langsam ein Licht auf, wohin die Masseneinwanderung führt?“, Gewaltaufrufe sind dort ebenso zu finden wie Morddrohungen gegen Lübcke „der penner wird einer der ersten sein die abdanken werden“
(https://www.youtube.com/watch?v=KdnLSC2hy9E Kommentare)
Solche und ähnliche Kommentare sind es, die in der rechten Community täglich gepostet werden. Diese enorme Gewaltbereitschaft innerhalb der Gesprächskultur, die als Floskeln verharmlosten Morddrohungen, sind es welche die Hemmschwelle zur Tat zu schreiten immer weiter senken. Es ist diese Sprache, die einen Handlungsdruck erzeugt und Menschen in ihrem Vorhaben zu morden die letzten Zweifel nimmt.
Stephan Ernst gibt in seinem ersten Geständnis an, Lübcke wegen des Satzes bei dem Bürgerdialog getötet zu haben. Der genaue Tatablauf ist noch nicht rekonstruiert, dennoch scheint das erste Geständnis von Stephan Ernst glaubwürdig und gilt als der mutmaßliche Mörder.
Auch dass er Unterstützung durch Markus Hartmann hatte, gilt als erwiesen. Hartman soll Lübcke sowohl zu verschiedenen Veranstaltungen als auch in der Mordnacht begleitet habe, er soll Ernst dazu ermutigt haben, den Mord zu begehen. Auch Hartmanns ehemalige Lebensgefährtin hält ihn für die treibende Kraft hinter dem Mord.
(https://www.sueddeutsche.de/politik/luebcke-mord-kassel-rechtsextremismus-1.4749559)

Der Zusammenhang zwischen der brutalisierten Sprache, den ständig wiederholten Feindbilder, sowie die stetige Präsenz der Verschwörungsideologie des „großen Austausch“, wonach „politische Eliten“ einen Untergang der deutschen Kultur durch einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeiführen, spielte auch für den, in im Internet aktiven, Stephan Ernst eine wichtige Rolle.
Hier wurde er in seinem Vorhaben Walter Lübcke zu ermorden bestätigt. Es ist eine Sprache, die von Beleidigungen und Gewaltaufrufen gegen Politiker*innen ebenso geprägt ist wie von rassistischen, sexistischen und anderen menschenverachtenden Kommentaren über Minderheiten oder Andersdenkende. In diesem Umfeld erfahren die Täter*innen die Bestätigung und Befürwortung die aus ihnen potentielle oder tatsächliche Mörder werden lässt.

Lübcke hinterlässt eine Ehefrau sowie seinen beiden, erwachsenen, Söhne
“Aus Worten wurden Taten”, so Jan-Hendrik Lübcke, Sohn von Walter Lübcke
(https://www.tagesschau.de/inland/luebcke-159.html)

Blick nach Bochum

Auch innerhalb Bochum ist diese Sprache in rechten Kreisen verbreitet.
Seien es AfD Politiker*innen, die auf Facebook rassistische Postings verfassen oder innerhalb der von den Identitären gegründeten Telegramgruppe „Patrioten Bochum“.

Betrachten wir die AfD Politiker*innen in Bochum, fallen sie überwiegend durch ihre Präsenz bei Facebook auf. Sowohl auf der AfD Facebookseite als auch auf den privaten Nutzer*innenprofilen der Politiker*innen und in den dazugehörigen Kommentarspalten, lassen sich wiederholt Hetze gegen Geflüchtete, Hinweise auf Verschwörungstheorien, Bezugnahme auf ein „Großdeutsches Reich“ und Beleidigungen finden.

In einem Posting der AfD Bochum vom 24.03.2020 heißt es „Wir importieren Asylbewerber aus Griechenland und der Türkei. Eigene Staatsbürger werfen wir aber raus!? Irgendwas stimmt doch in diesem Land nicht!“ Zwar schreibt die AfD hier nicht öffentlich vom „großen Austausch“, der Inhalt ist dennoch sehr ähnlich. So spricht die AfD von „importierten Asylbewerbern“ und schafft das Bild von einem politisch gewollten „Bevölkerungsaustausch“. Das die Community dies ähnlich sieht, belegt der Kommentar, das Bestreben einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeizuführen sei „typisch für das Irrenhaus Deutschland“

Während dieser Ton noch gemäßigt daher kommen mag, ist die Botschaft, die vermittelt wird, die gleiche, wie sie von Kalbitz, Höcke und Co verbreitet wird.
Ein Blick auf die Privataccounts der Politiker*innen finden sich weniger „gemäßigte“ Inhalte. 
Während Gabriele Walger – Demolsky, wiederholt während der Coronakrise beklagt, dass „die Grenzen für deutsche geschlossen sein, zeitgleich dürften Geflüchtete weiter die Grenzen passieren“, teilt der dem Flügel zuzurechnende Markus Schröder ein Bild, welches Deutschland mit der Grenzziehung von vor 1945 zeigt. Offensichtlich wird hier der Wunsch nach einem „Großdeutschen Reich“ geäußert. Der dazugehörige Kommentar „Das ist Ostdeutschland“ und ein auf Polen deutender Finger, belegen diesen Wunsch.
(https://www.facebook.com/gabriele.walgerdemolsky?comment_id=Y29tbWVudDozMDc2NDE4OTk1NzM3Nj AxXzMwNzY0Njk3MDIzOTkxOTc%3D)

Die von Meuthen ins Spiel gebrachte Zweiteilung der AfD und die damit einhergehenden Machkämpfe machen auch vor der AfD Bochum nicht halt. Bei den auf Facebook ausgetragenen Diskussionen offenbart sich auch der Umgangston, der innerhalb der Partei herrscht. Wie bereits auf diesem Blog berichtet, beleidigt der Bochumer AfD Politiker Teile des Landesvorstand NRW als „geistige Krüppel“. Wenn bei öffentlich ausgetragen Diskussionen, dies als normal empfunden, lässt sich der Sprachgebrauch in nicht einsehbaren Kommunikationsräumen nur erahnen.
(https://afd-watch-bochum.net)
Ein Beispiel dafür, wie es innerhalb dieser Gruppen zugehen kann und welche Sprachkultur dort gepflegt wird, zeigt die Telegramgruppe „Patrioten Bochum“

Die bereits erwähnte ausführliche Recherche zur „Rechten Volksvernetzung“ bei Telegramm gewährt Einblick in die Kanäle der extremen Rechten in Bochum und darüber hinaus.

Auch innerhalb dieses von der Identitären Bewegung erstellten Telegramchannels kommt es zur Verherrlichung des Nationalsozialismus und werden Videos der Holocaustleugnerin Haverbeck verschickt. Es scheint den User*innen der Gruppe bewusst, welche Aussagen sie in dieser öffentlich einsehbaren Gruppe tätigen können und welche sie lieber in geschlossenen Kanälen kommunizieren. Belegen lässt sich dies an der Nachricht eines Users „ Ja sorry bin biss geladen Hab mir gerade vorgestellt wie es die Familie die minderjährigen geht die vergewaltigt wurde“. Die darauf erhaltene Antwort „ Wenn es um Gefühle und Rache geht, bin ich auch aggro, aber dann brauchen wir eune andere Gruppe“. Ein weiterer Grund weswegen es innerhalb der Patrioten Bochum eher gesittet zuzugehen scheint, die Admins der Identitäten Bewegung, versuchen klar Neonazistische Codes zu unterbinden, ein „bürgerlicher Anschein“ soll gewahrt werden. (https://identitaereinbochum.noblogs.org/identitaere_netzwerk_telegram/)

Der in Bochum wohnende Identitäre Falk Schakolat, zeichnet sich für die YouTube Formate „Ruhrpott Roulette“ der Identitäten und seinen Privataccount „Menschenverstandradikalismus“ verantwortlich. Über diese Kanäle tragt er enorm zu der Verbreitung und Reproduktion der Feindbilder der neuen Rechten bei.
(https://identitaereinbochum.noblogs.org/falk-schakolat/)

Innerhalb Bochums tragen eine Identitäre Bewegung, die ihren Fokus auf online Aktivismus gelegt hat, und eine in den sozialen Medien präsente AfD zur weiteren Radikalisierung neuer Menschen bei.
Obwohl die AfD Bochum im Bundesvergleich eher gemäßigt scheint und es in rechten Chatgruppen vermeintlich gesittet zugeht, ist auch hier das Gefahrenpotential welches hieraus hervor geht nicht von der Hand zu weisen. Auch innerhalb der rechten Szene Bochums sind gefährliche Wechselwirkungen, die eine rasante Radikalisierung einzelner Personen nach sich ziehen können, gegenwärtig.
Welches Gewaltpotential innerhalb der Bochumer Rechten vorhanden ist, verdeutlicht ein Vorfall aus dem Jahr 2014. Am 23. April 2014 wurde eine Gruppe lokaler AfDler, von einem Antifaschisten beim plakatieren beobachtet. Nachdem dieser seinen Unmut über die rassistischen Parolen der AfD geäußert und bereits seinen Weg fortgesetzt hatte, verfolgte der damalige Kreissprecher der AfD Johannes Paul den Antifaschisten und bedrohte ihn mit einer Gaspistole.
(http://afd-watch-bochum.net)
Welche Gefahren von solchen Ereignissen im Zusammenspiel mit einer immer weiter fallenden Hemmschwelle gegenüber Gewalt zur Folge haben können, lassen sich nur erahnen.